Über den Wolken im Heißluftballon
Jetzt geht’s nach oben in schwindelnde Höhen! Wir sind in Filzmoos mit dem Heißluftballon gefahren. Wie das war, was man dabei auf keinen Fall sagen sollte und warum ein Passagier vor 43 Jahren mit seinem Ballon abgestürzt ist, erfahrt ihr hier.
Dieses Jahr finden die Heißluftballonwochen von 15. bis 29. Jänner 2022 statt.
Am Morgen hängen tiefe Wolken über Filzmoos. Aber das macht nichts, bald verziehen sie sich und es herrschen beste Bedingungen zum Ballonfahren. Da ist man sich auf der Hammerwiese sicher. Immerhin werden hier gleich im Minutentakt die Heißluftballone aufsteigen. Filzmoos scheint so etwas wie die österreichische Hauptstadt des Ballonverkehrs zu sein. Nicht eine, nein zwei Heißluftballonwochen finden hier Jahr für Jahr im Jänner statt.* Zuerst die 2019 bereits 41. internationale, da stiegen dieses Jahr etwa 20 Körbe in die Luft, und dann die 11. nationale Trophy, die vom Hotel Hanneshof organisiert wird und bei der stolze 50 Ballone ihre Kreise hoch über den Wolken ziehen. In einem davon werden wir selbst in wenigen Minuten sitzen.
Mit dem Ballon durch den Ort
Noch liegen die Körbe in stabiler Seitenlage. Die Piloten und ihr Team rollen den luftlosen Ballon auf dem Boden aus und schon lodern die ersten Flammen vom Korb aus in sein Inneres. Was vor wenigen Minuten noch aussah wie etwas, das erst übergezogen werden muss, steht plötzlich von alleine auf. Gemächlich wälzt sich der Ballon in die Höhe, wird überhaushoch und hebt schließlich auch den umgekippten Korb in die Waagrechte. Schnell steigen wir zu dritt in eines der abgetrennten Abteile ein. Und noch während wir nervöse Witze darüber machen, dass wir uns fühlen wie die Bierflaschen in einem überdimensionalen Sixpack, heben wir ab. Zuerst kaum merklich, dann sehen die Häuser und Menschen in Filzmoos immer stärker so aus, als würde man bei „Die Sims“ herauszoomen. Absichtlich schwebt der riesige Ballon knapp an den verschneiten Dächern und Häuserfronten vorbei, zieht seine majestätische Parade durch den Ort und erst kurz vor der Kirche bekommt er ein paar kräftige Feuerstöße versetzt, um ihre Turmspitze nur haargenau nicht zu streifen.
Das ist natürlich alles so geplant. Wenn man wie unser Pilot Peter Flaggl in diesen zwei Wochen jeden Tag Touristinnen und Touristen dabei hat, die bereit sind, 290 Euro hinzublättern, darf man nichts dem Zufall überlassen. Der spielt beim Ballonfahren generell, obwohl man dabei eigentlich nur an heißer Luft und einem Stück Stoff hängt, kaum eine Rolle. Oder vielleicht gerade deshalb. Denn verfahren hat sich Peter eigentlich noch nie. Zwar kann er nicht minutiös planen, wo er landen wird, weil er den Ballon nicht wirklich steuern, sondern nur mit den drei verschiedenen Flammen zum Drehen bringen kann. Aber dass ihm der Wind überraschend einen Strich durch die Rechnung gemacht und ihn etwa unabsichtlich über die Landesgrenzen hinaus verweht hätte, das ist ihm noch nie passiert. Dafür sind Wetterverhältnisse und Thermik mittlerweile viel zu berechenbar. Diesmal werden wir in St. Johann im Pongau landen, nur eine halbe Stunde mit dem Auto von Filzmoos entfernt, mit dem Ballon brauchen wir etwa zwei Stunden. Routiniert hält Peter immer wieder über Funk Kontakt mit seinem Team, das uns beim Landeplatz abholen und zurückbringen wird. Er kommt aus einer Ballonfahrer-Familie und fährt quasi schon sein ganzes Leben mit dem Heißluftballon – hauptberuflich, für Touristinnen und Touristen.
Fliegen sagt man nicht!
Ja, er fährt, das stimmt schon so. Bereits bei unserem Telefonat mit dem Tourismusverband hat man uns im Vorfeld eines ganz dringlich eingebläut: Es heißt fahren und nicht fliegen. Fliegen hören die Piloten gar nicht gerne. Doch mit jedem Meter, den wir uns vom Boden weg entfernen, werde ich nervöser, und schon passiert es: Ich krache in das Fettnäpfchen, das mit drei Absperrbändern und einem Sicherheitsgitter verriegelt ist, und frage Peter und seinen Co-Piloten betont lässig: „Und? Wie lange fliegt’s ihr schon?“ Was dann folgt, ist nicht schön. Ein langgezogenes Zischen, betretene Blicke, verlegenes Schmunzeln. Ups. Noch können wir die peinliche Situation mit ein paar halb gescherzten Worten der Warnung lösen, alles wieder gut. Als mir das böse F-Wort dann aber noch zwei Mal auskommt, wie das eben so ist, wenn man sich just darauf konzentriert, etwas nicht zu sagen, ernte ich nur mehr Empörung aus allen Ecken des Korbs. „Was wollt ihr machen? Mich rausschmeißen?“, kichere ich nervös und versuche damit, die Stimmung wieder aufzulockern. Kurzes Schweigen, gefolgt von halbgarem Lachen – gewünscht hätten sie es sich wahrscheinlich kurz. Noch gilt mein Fauxpas aber ohnehin noch nicht als handfestes Vergehen – erst nach der Ballontaufe, die uns am Ende noch bevorsteht.
Aber warum ist der Heißluftballon eigentlich ein fahrendes und kein fliegendes Objekt? „Das kommt von den Segelschiffen“, erklärt Peter, immer wieder unterbrochen von den lauten Feuerstößen, die er in den Ballon absondert, um nicht zu sinken. „Damals wusste man nicht, wie man es nennen sollte. Es war eine neue Art, sich zu bewegen. Also hat man es mit Dingen verglichen, die es schon gegeben hat.“ Und eine zweite Erklärung vom Co-Piloten: „Die warme Luft im Ballon ist leichter als die Luft außen. Alles, was leichter ist als die, fährt, also nur der Ballon und das Luftschiff. Alles andere fliegt.“ So oder so, wenn es um ihre langjährige Geschichte geht, verstehen die Ballonfahrer keinen Spaß. 1783 machte man die ersten Versuche mit Heißluftballons. „Danach gab es lange Zeit nur Gasballone, weil die Heißluft noch nicht kontrollierbar war“, sagt Peter. „Die Heißluftballone, wie wir sie heute kennen, hat die NASA dann erst in den 60er-Jahren entwickelt.“
Über den Wolken
Inzwischen sind wir auch schon auf 3.300 Meter aufgestiegen – das höchste, was wir heute erreichen werden. Falls jemandem in dieser Höhe schwindelig wird, stehen Sauerstoffflaschen bereit. In der Regel passiert das aber kaum, beschwichtigt Pilot Peter schon vor dem Start in Richtung meiner weit aufgerissenen Augen. Höhenangst habe ich zwar nicht, aber durchaus Respekt davor, wenn mich nur eine Bodenplatte und ein wenig heiße Luft vor einem Tausende Meter langen Absturz bewahren. Das ist eben so eine Marotte von mir. Ungefähr eine halbe Stunde brauche ich, um mich damit abzufinden, dass ich für die nächsten zwei Stunden auf Augenhöhe mit den höchsten Gipfeln des Landes schwebe, und vor lauter Staunen über den atemberaubenden Ausblick vergesse ich mein mulmiges Magengefühl schließlich genauso schnell wie die Vokabelregeln für Ballonfahrer. Scheinbar still stehen wir in der Luft, die Wolken haben sich weitgehend gelichtet, die Wärme der Sonne strahlt uns abwechselnd mit jener der Ballonflamme ins Gesicht und mikroskopisch kleine Schneeflöckchen bringen die Luft zum Glitzern. Irgendwo in meinem Hinterkopf summt Reinhard Mey immer wieder, dass die Freiheit über den Wolken wohl grenzenlos sein muss, und ich nicke. Wo sollte man sonst kitschig sein dürfen, wenn nicht in einem Ballonkorb Aug‘ in Auge mit der verschneiten Dachsteingruppe, die in der Ferne durch die leichte Wolkendecke sticht?
Einen kurzen Moment herrscht gottvolle Stille. Aber die dauert nicht lang, als die bayerischen Touristinnen und Touristen im Abteil hinter uns den Wanderweg entdecken, den sie am Vortag bezwungen haben. Und den Fluss daneben. Und ihr Hotel. Zaghaft greifen die ersten zu ihren Smartphones, um die Aussicht zu fotografieren. Das glaubt einem ja sonst keiner! Aber doch witzelt man immer wieder darüber, dass man Angst hätte, dass das Handy abstürzt. Ob das eigentlich öfter passiert, fragen wir Peter. Nein, bisher nur zweimal. Und ein Telefon hat den tiefen Fall sogar überlebt. Respekt! Das könnte ich sicher nicht von mir behaupten, wenn die Piloten sich schließlich dazu entscheiden, mich doch rauszuschmeißen.
Als Franz mit seinem Ballon abstürzte
Blickt man geradeaus, scheint es, als würden wir in der Luft stehen. Ganz still hängen wir irgendwo über Salzburg, Filzmoos liegt schon hinter uns. Als Peter uns verrät, dass wir uns mit etwa 30 Stundenkilometern vorwärts bewegen, können wir es kaum glauben. Wir spüren nichts, keinen Fahrtwind, kein Ruckeln, nichts. Während man hinter uns mit ausgestrecktem Finger und staunend mit offenstehenden Mündern abwärts deutet, knipst ein älterer Mann neben uns ruhig seine Fotos und lässt immer wieder anklingen, dass er Heißluftballon-Routinier ist. Davon soll offenbar auch seine Leder-Fliegermütze und dazugehöriger Brille, die ihm am oberen Stirnrand sitzt, zeugen. Das alles lässt ihn ein wenig so wirken, als wäre er bei Emilia Earhart aus dem Flieger gesprungen und im 21. Jahrhundert gelandet. Wie er heißt, erfahren wir nebenbei, als er mit einer seiner beiden Mitreisenden versucht zu schäkern. Danach steht der aber so gar nicht der Sinn. Sie heftet die Augen fest an den Horizont und klammert sich mit Händen und Unterarmen an der Wand ihres Abteils fest, das Gesicht angestrengt zum entspannten Ausdruck gezwungen. „Lass mich, Franz“, lacht sie verkrampft mit Du-weißt-schon-Unterton, „ich muss mich konzentrieren.“
Franz zieht sich zurück und reißt mit seiner zweiten Begleiterin ein paar derbe Witze, die weitaus tiefer unten liegen als die 3.000 Meter unter uns. Kleiner Hinweis: Es geht darum, sich durch Bewegung zu wärmen – und um Harnwegsinfektionen. Tatsächlich sollte man meinen, dass es im Winter in dieser Höhe ziemlich kalt werden kann. Das stimmt zum Teil. Die sengende Hitze der Flammenstöße von oben gleicht die Kälte, die von unten kommt, immer wieder aus. Im Gesicht schwitzen wir also, während wir an den Zehen frieren. Franz ist das aber natürlich längst gewohnt. Schon vor 43 Jahren sei er als 17-Jähriger das erste Mal eingestiegen. Damals war er angeblich einer der ersten in seiner Region, der einen Heißluftballon gesteuert hat. Allerdings nicht besonders erfolgreich: Gleich bei der Jungfernfahrt ging ihm auf halber Strecke das Gas aus und er krachte mit seinem Korb in einen Wald. „Da ist er dann wirklich geflogen“, lachen die beiden Piloten vorne im Korb, die meinen Verbalfauxpas offenbar immer noch nicht ganz überwunden haben. Mitgefahren ist er aber schon oft, wie etwa auch bei der Alpenüberquerung, die er zusammen mit Pilot Peter und seinem Co-Piloten im vergangenen Jahr zum ersten Mal gemacht hat. 200 Kilometer legten sie dabei bis nach Italien zurück. Das dauert bei 100 km/h drei bis vier Stunden. Alle drei stammen aus der gleichen Region, dem Apfeldorf Puch bzw. Stubenberg am See. „Die Wege des österreichischen Ballonsportes begannen im Apfeldorf Puch“, erzählt Franz. „Da wurde das erste Heißluftballonfahrertreffen Österreichs 1976 veranstaltet.“
Teurer Spaß
Die drei kennen sich also schon lange. Das erklärt auch, warum Franz den Status von einer Art zweitem Co-Piloten ohne Befugnisse besitzt. Den Pilotenschein hat er selbst nie gemacht, das war ihm zu teuer und zu zeitintensiv. Mittlerweile fährt er etwa ein- bis zweimal im Jahr mit. Generell ist das Ballonfahren in Österreich auch bei den meisten geprüften Pilotinnen und Piloten ein privates Hobby, wie andere eben Paragleiten oder Segelfliegen gehen. Allerdings kommt einem das Ballonfaible um einiges teurer: Weltweit gibt es laut Peter nur fünf große Heißluftballonproduzenten. Einstiegsvarianten kosten um die 50.000, Profi-Ausführungen bis 120.000 Euro.
Und während wir noch überlegen, ob wir zu dritt einen Kredit aufnehmen und all unsere Strecken künftig nur mehr per Ballon zurücklegen sollten, was zwar viel langsamer, dafür aber viel nachhaltiger als etwa – Achtung, jetzt kommt’s wieder – fliegen wäre, sinken wir auch schon wieder. So scheinstill, wie wir bisher in der Luft standen, kommt der verschneite Boden mit einem Mal erstaunlich schnell näher. Nur wenige Minuten und ein kurzes Bangen unsererseits, ob wir vielleicht auf der Autobahn oder doch im Fluss daneben landen, später müssen wir auch schon zur Landung die Knie beugen und ein wenig abfedern, was uns die Wiese an festem Untergrund entgegendrückt. Nach und nach steigen wir aus und hängen uns an den Korb, damit er ohne unseren menschlichen Ballast nicht gleich wieder abhebt. Schließlich geht dem Ballon aber doch die Luft aus und wir fahren zurück nach Filzmoos.
In den Ballonadel erhoben
Dort werden zum Abschluss noch alle Mitfahrenden – natürlich nicht rechtskräftig – in den Adelsstand erhoben. Das ist so Tradition. Früher war es undenkbar, dass Bürgerliche in die Luft steigen und so von oben auf die Adeligen herabsehen. Sollte sich also doch einmal jemand ohne blaues Blut in den Ballonkorb verirrt haben, musste er oder sie im Nachhinein als adelig erklärt werden. Dabei lässt man uns niederknien, sengt uns eine Haarsträhne an, beträufelt unseren Kopf mit Sekt und schon sind wir Gräfinnen und Prinzessinnen der Aerostatik. Und weil Adel nun einmal verpflichtet, gehen damit nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten einher. Allen voran ist es uns ab jetzt wirklich streng verboten, fliegen und fahren miteinander zu verwechseln, was mir später am Mittagstisch natürlich prompt erneut passiert. Eigentlich müsste ich jetzt als Pönale eine Runde für alle schmeißen. Schande über mein sektgetränktes Haupt!
Auch sehr idyllisch im Winter sind übrigens Pferdeschlittenfahrten in Filzmoos und ganz Österreich. Was ihr sonst noch so mit eurer freien Zeit anstellen könnt, verraten euch unsere To Dos.
*Heuer finden die Heißluftballonwochen von 15. bis 29. Jänner 2022 statt. Die Nacht der Ballone muss dieses Jahr leider ausfallen, ist aber bereits für 14. Jänner 2023 eingeplant.