Unser Senf: 5 Dinge, die ich als Kind im Cluburlaub gelernt habe
Als Kind machte unsere Redakteurin mit ihrer Mutter und älteren Schwester oft Cluburlaube. In der Senf-Kolumne erinnert sie sich an ein paar mehr oder weniger skurrile Erlebnisse und die Lehren, die sie als introvertiertes Kind daraus gezogen hat.
Meine Mutter war alleinerziehend. Wenn wir also zusammen Sommerurlaub machten, musste das ein Konzept sein, das für mich und meine ältere Schwester gleichermaßen angemessen war und uns ihr gleichzeitig ein wenig vom Hals hielt. Da bleiben nicht viele Optionen offen, besonders wenn die eine Tochter ungeduldig den Startschuss zur Pubertät abwartet, während die andere sich gerade noch auf der Zielgeraden befindet. Was die eine liebt, hasst die andere mit der flammenden Leidenschaft eines Marvel-Bösewichts und umgekehrt. Die beste Urlaubsoption: Alle Optionen auf einmal, oder zumindest so viele wie möglich, und das alles auch noch inklusive. Meine Mutter hatte sich das einigermaßen entspannt vorgestellt: Die Töchter werden durch die verschiedenen Kinder-Bespaßungsprogramme geschleust, während sie zumindest für die Dauer eines Volleyball-Turniers die Strandliege für sich alleine hat. Welches Kind würde zu dieser wilden Mischkulanz aus Massensportarten in der Mittagshitze und aggressiver Animation in Dauerschleife schon Nein sagen können? Ich. Ich war dieses Kind.
Allem voran: Ich war kein besonders kontaktfreudiges Kind. Im Gegenteil. Alles, was in Richtung kuratierter Gruppenspaß ging, war mir aus Prinzip zuwider. Ganz anders als meine Schwester, die mit ihrer quirligen Art heute noch die Beliebteste am Kindertisch ist. Wäre unser Leben eine Zaubershow, dann wäre sie die Freiwillige aus dem Publikum und ich die Saalaufsicht, die sich während der Show heimlich davon stiehlt, um zu rauchen. Für Kinder mit der Mentalität einer Schauspiel-Impro-Gruppe ist ein Cluburlaub ideales Terrain: Meine Schwester hetzte vom Volleyball-Feld zum Wasserpolo und zurück zum Bananenbootfahren wie der Roadrunner auf Speed. Innerhalb eines Tages hatte sie drei konkurrierende Freundeskreise gezogen und kannte alle Animateur*innen beim Vornamen – und umgekehrt.
Clubtänze und ihre Vermeidung
Damit muss man als jüngere Schwester erst einmal mithalten können – oder eben nicht. Ich entschied mich für das Gegenteil, die radikale Verweigerung. Komme, was da wolle – ich würde mich nicht animieren lassen, würde dem synthetischen Urlaubsspaß mit ernster Miene den Kampf ansagen. Das ist allerdings gar nicht so einfach in einem Resort, in dem der Spaß hinter jeder Schwimmnudel lauert. Besonders in der Nähe des Pools musste man wachsam sein, wenn man nicht in einen spontanen Clubtanz verwickelt werden wollte. Sobald die Trillerpfeifen das Unvermeidliche verkündeten, nahm ich Reißaus. Und da setzte auch schon dröhnend der Bass ein und wummerte auch den letzten Poolgast aus seinem Mittagsschlaf zurück ins Halligalli. Damit abwechselnd schallte die Animateur*innenstimme durch die Boxen und gab Marschbefehle, die die von Chlor und Trägheit aufgeweichten Leiber in fröhlichen Gleichschritt bringen sollten. Horrorszenario in Polyester. Das frenetische Geklatsche und archaische Skandieren waberte aus der Ferne zu mir und begleitete mich durch den Urlaub wie ein bedrohlicher Soundtrack, der andeuten soll: “Du bist die nächste.”
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Schlafend stellen
Tatsächlich war es aber längst nicht damit getan, den hartnäckig aufploppenden Clubtanz-Bootcamps im Zickzack auszuweichen. Damit gaben sich die Botschafter*innen des Spaßes nicht zufrieden. Sie sondierten unnachgiebig den Strand und rekrutierten alleinspielende Kinder in freier Wildbahn. Da bastelte man konzentriert an seinem Sand-Taj-Mahal und schon trieb man in einer nach fremden Menschen stinkenden Schwimmweste mit düsterer Miene auf dem offenen Meer, weil man beim Bananenbootfahren unfreiwillig “ausgestiegen” war. Ein einfaches „Nein“ hatten sie nicht gelten lassen und eine wasserdichte Ausrede war mir beim besten Willen nicht eingefallen – ein Arzttermin im Urlaub? Eher unwahrscheinlich. Also musste ich verhindern, überhaupt in diese unangenehme Situation zu kommen. Sei Pilotin deines Lebens und so. Und wenn ich als hochgradig introvertiertes Kind eines drauf hatte, dann war es aggressive Passivität. Oder anders formuliert: Ich stellte mich ganz einfach schlafend.
Das hatte bereits beim Hinflug funktioniert, als die Stewardess mit weit aufgerissenen Mascarakränzen auf meine Schwester und mich zustartete, um uns hochoffiziell ins Cockpit einzuladen. Der Trick war, sich nicht zu sehr zu bemühen, nicht zu zeichentrickmäßig zu schnarchen – entspannt zugeklappte Augenlider und gleichmäßige, tiefe Atemzüge. Hörte ich aus der Ferne hochmotivierte Flipflops schnalzen, machte ich das Dornröschen und lauschte zufrieden dem Anbahnungsgespräch mit dem siebenjährigen Korbinian hinter mir. Armer Narr. Kamen sie dann, mittlerweile mit einer Handvoll mäßig begeisterter Korbinians im Schlepptau, an meiner Liege vorbei, hieß es durchhalten, nicht aus der Rolle fallen, bis sich das Schnalzen der Flipflops im Dröhnen des 15-Uhr-Clubtanzes verloren hatte.
Polsterbemalung
Ein kleiner Sieg für mich, ein herber Rückschlag für meine Mutter auf der Liege neben mir. Ihr Plan, wenigstens ein bisschen Zeit für sich zu haben, ging mit dieser menschgewordenen Verweigerung im Rüschenbikini einfach nicht auf. Vor lauter Verzweiflung nahm sie mir das Versprechen ab, wenigstens einen Programmpunkt auf der Liste an sozialen Überwindungen auszuprobieren, von ihr aus auch mit ihr zusammen. Wir konnten uns auf Polsterbemalung einigen. Also saßen wir in der Spätnachmittagshitze unter einer Palme und verunstalteten Polsterbezüge mit Textilfarben. Immer wieder. Irgendwo auf dem Dachboden befinden sich heute noch drei leere Posterbezüge mit Eichhörnchenmotiv aus drei unterschiedichen Urlauben. Keine Ahnung, warum es immer Eichhörnchen sein mussten. Oder Polsterbezüge.
Griechisch-Fragmente
Der einzige Workshop, den wir jemals zu dritt belegt haben, war der Griechischkurs mit Dimitri. Von uns dreien war ich allerdings nach einer Woche Intensivtraining die einzige, die halbwegs sattelfest auf Griechisch ihren Namen verkünden konnte. Die anderen beiden begnügten sich damit, den schönen Dimitri anzuhimmeln.
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Sirtaki – oder auch nicht
Das gipfelte abends darin, dass meine Mutter sich beim Gruppen-Sirtaki direkt bei Dimitri unterhaken durfte, was wiederum meine spätpubertäre Schwester zur Weißglut brachte. Mir war es einfach nur unangenehm, weil einem in einem gewissen Alter so ziemlich alles unangenehm ist, was mit Eltern und Öffentlichkeit zu tun hat. Und Dimitri wahrscheinlich auch, weil das kollektive Wanken zu den schwankenden Klängen der Bouzouki in Wahrheit nur wenig mit echten griechischen Volkstänzen zu tun hat. Der Sirtaki wurde für den Film Alexis Sorbas choreografiert, weil Hauptdarsteller Anthony Quinn angeblich den deutlich komplizierteren griechischen Tänzen partout nicht Herr wurde. Heute zählt er zum festen Kulturgut unzähliger All-inclusive-Clubs, wahrscheinlich weil er sich sowohl für Anthony Quinn als auch für angeschwipste, sonnengegerbte Tourist*innen anbietet und man sich bei den wiederkehrenden Clubtänzen ohnehin schon so viel merken muss.
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Facebook-Beitragsbild: by Jean Estrella on Unsplash