Unser Senf: Warum ich als Wienerin (nicht) auf den Rathausplatz Weihnachtsmarkt gehe
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal erzählt unsere Redakteurin von ihrer Abneigung gegen das Punschen auf überfüllten Weihnachtsmärkten.
Das Konzept, sich als Tourist*in in der eigenen Stadt zu bewegen, ist generell kein neues. Ich aber lebe schon seit 25 Jahren in Wien, ohne einmal Touri gewesen zu sein. Und für mein erstes Mal steht gleich die Königsdisziplin des Tourist*innen-Daseins an: Ich besuche den Christkindlmarkt am Wiener Rathausplatz. Freiwillig war ich hier übrigens noch nie. Meine letzten Erinnerungen daran stammen noch aus der Zeit der erzwungenen Zweierreihen mit Händchenhalten – damals auch schon richtig unangenehm, aber zumindest mit meinem Volksschulschwarm.
Aber neugierig bin ich ja doch und mein Job als Redakteurin setzt eine gewisse Wissbegier für alles, was sich in der Stadt so tut, voraus. Also habe ich dieses Jahr doch beim Rathausplatz vorbeigeschaut, um mich durch das Getümmel zu drängen und erste Reihe fußfrei zu recherchieren, ob da eigentlich auch was für Einheimische dran ist.
Glitzer, Kitsch und Wucherpreise
Der basale Grund, warum ich mich als Wienerin in meinen 25 Lebensjahren noch nicht am Rathausplatz habe blicken lassen, ist zugegebenermaßen nicht Rathausplatz-spezifisch, sondern lässt sich auf die meisten Weihnachtsmärkte ummünzen: Es ist einfach von allem zu viel! Zu viel Auswahl, zu viele Menschen und zu viele Lichterketten, hier noch dazu merkwürdig verteilt – an manchen Orten will man fast die Sonnenbrille zücken, während Tourist*innen an anderen mit Blitz ihre instagrammable Momente festhalten.
Eine Aufnahme dieser attraktiven Fotoplätze zu bekommen, ist allerdings eine Wettbewerbsdisziplin und nichts für schwache Nerven. Ich stürme durch Gedränge, um für eine halbe Minute den besten Winkel auf eine Attraktion zu haben, mehr Zeit gibt es dafür aber nicht. Denn der Vater einer Familie mit Kleinkindern tackelt mich schon auf die Seite, um schnell noch das obligatorische Familienbild vom Ausflug zu knipsen.
Auch preislich ist der Rathausplatz Christkindlmarkt definitiv nicht unschlagbar. Punsch kostet zwar nicht, wie noch vor einem Monat befürchtet, 7,50 Euro, aber dafür ist der Häferl-Einsatz plötzlich bei 5 Euro. Mit einem Zehner kommst du also nicht sehr weit. Du kommst eigentlich nicht mal vom Fleck.
Mit diesen Gedanken bin ich auch nicht alleine, was sicher nicht überraschend ist. Ich konnte es mir aber trotzdem nicht nehmen lassen, die Google-Rezensionen durchzustöbern, um zu sehen, wie der Markt bei anderen Locals ankommt. Und siehe da, die Local Guides hinterlassen auch die ein oder andere Rezension, die mich in meiner Meinung bestätigt:
4/5 Sterne: Wirklich großer und berühmter Weihnachtsmarkt, schöne Lichter und Eislaufen. Für meinen Geschmack etwas zu viel und zu teuer.
– enna
Aber: Kitsch, Omis (und Punsch) stecken an
Dass ich aber nicht immun bin gegen die Reize der Christkindlmärkte, zeigt sich allmählich doch. Beim Anblick von Ständen mit Süßigkeiten und Beerenpunsch wird mir langsam warm ums Herz – vor allem, wenn er mit einem kleinen Holzlöfferl daherkommt und man die (jetzt aufgewärmten Tiefkühl-) Beeren aus dem picksüßen Getränk fischen kann. Das versetzt mich in meine Kindheit zurück, als Christkindlmärkte noch von Zauber umhüllt waren und mich die Realität des Erwachsenseins noch nicht eingeholt und ernüchtert hat.
Sehr stark beteiligt an meinem Stimmungswandel ist aber das Standl der Vollpension. Spätestens, wenn ich mich mit „der einzigen Omi“, die hier arbeitet, über Backkurse, ihren liebsten Bio-Punsch und das Design des Standls unterhalte, vergesse ich, dass ich eigentlich als Undercover-Grinch hier bin. Aber nicht nur die herzliche Betreuung des Standls hat es mir angetan: Er sitzt auch noch perfekt platziert in der Mitte des Marktes, sodass man nicht nur die liebevoll gestalteten Menüschilder bewundern kann, sondern sich das Rathaus dahinter in voller Pracht auftürmt. Schon habe ich meinen persönlichen instagrammable Moment gefunden:
Und so schnell kann es gehen und ich verwandle mich fast in die Personifikation der nächsten Google-Rezension:
5/5 Sterne: Jedes Jahr ein Highlight 😍🎄🐞👏!!! Glühwein und Punsch 👍Freunde treffen , Plaudern. Die Stimmung der Dämmerung 🤩einfangen !!! In jedem Fall einen Besuch wert!!! 🎄🎄🎄🤩❤️ 🐞👏😍🎄🎄🎄
– Ernestine
Zugegeben, Motivation für ganz so viele Emojis wird mir der Rathausplatz wohl nie geben. Als Jahreshighlight würde ich das Anstellen, Frieren und kitschige Christbaumkugeln Kaufen auch nicht bezeichnen. Aber irgendwie freunde ich mich langsam damit an.
Ein bisserl Sudern muss sein
Ich will mich jetzt nicht zu sehr in das Stereotyp der Wiener*innen reinsetzen, aber wenn ich ehrlich bin, wird es mir der Weihnachtsmarkt nie recht machen, vielleicht auch einfach aus Prinzip. Aber im Geheimen, wenn keine*r hinschaut, lasse ich mich dann doch ein bisschen in Weihnachtsstimmung versetzen, wenn ich Orangenpunsch trinke und das wunderschön beleuchtete Rathaus bewundere.
Schlussendlich können mich noch so viele Punsche oder Erinnerungen an Volksschul-Romanzen nicht einlullen und es steht 1:0 für die Wienerin in mir. In Zukunft wird es mich also doch eher ins alte AKH verschlagen für die volle Dröhnung Punsch und Kässpätzle.
Und zum Abschluss noch ein kleiner Geheimtipp vom lieben Local Guide Gerald, falls du dich auch zum Touristenhotspot der Saison traust:
5/5 Sterne: Alkohol und Kitsch, aber auch schöne Dekoration und Krippen im Rathauspark. Wenn Sie unter der Woche untertags dort sind und ein WC benötigt wird, gehen Sie ins Rathaus, dort gibt es viele Häusln und gratis.
– Gerald
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