Unser Senf: Warum sind Bräuche oft frauenfeindlich?
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal regt sich unsere Redakteurin Lilli über fragwürdige Bräuche auf.
Was verbindet ihr mit eurer Kindheit? Bei mir sind es vor allem die Erinnerungen an Feiertage und Feste, die sich in den Synapsen festgesetzt haben. Zeiten, in denen die gesamte Familie – wenn auch in meinem Fall eher wenig Personen an der Zahl – zusammenkommt. Natürlich habe ich einige Alltagsmomente gespeichert, doch wenn ich in der Datenbank meines Gehirns nach „Kindheit“ suche, ploppen vor allem Bilder vom Nikolaus auf, vom Faschingsumzug bei den Großeltern am Land, von der Eiersuche quer durch den Garten an Ostern.
Ich habe also besonders die Bilder verankert, die sich irgendwie um Traditionen drehen. Damit bin ich aufgewachsen, habe sogar auf gewisse Bräuche hingefiebert. Tage wie diese waren das Highlight meines kindlichen Kalenderjahres.
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Solange es um Schokolade in allen Formen und Farben geht oder um Geschenke unter prächtigen Tannen und in fedrigen Nestern, gehe ich also mit traditionellen Feiern mit. Doch kommen mir besonders im Herbst und Winter in Österreich Bräuche unter, die ich nicht nur fragwürdig und kurios, sondern maximal schlimm finde. Bräuche, die sich Jahr für Jahr in verschiedenen Bundesländern abspielen und ihren Heimatorten damit eine ordentliche Portion Sexismus und Misogynie, also Frauenfeindlichkeit, verleihen.
Schokolade ja, Sexismus nein.
Das beginnt schon bei regionenübergreifenden Bräuchen zur Hochzeit. Von Kniefall über den First-Look hin zum sogenannten Brautstehlen geht es hier nicht gerade im Sinne der Braut zur Sache. Das Brautstehlen lässt sich beispielsweise auf das „Recht der ersten Nacht“ zurückführen, das dem Gutsherren damals den Anspruch auf ein Schäferstündchen mit der Braut gesichert hat. Servus Sexismus!
Überhaupt drehen sich Hochzeitstraditionen eigentlich immer um die Braut, die objektifiziert, sexualisiert und diskriminiert wird. Und das am angeblich schönsten Tag im Leben.
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Schlimmer geht immer!
Frauen und Bräuche verstehen sich aber auch abseits vom Altar nicht sonderlich gut. Schon die „böse Hexe“, die den Kern sämtlicher Märchen und Brauch-Background-Stories prägt, trägt Misogynie in ihren Knochen. Denn als Hexen werden klassischerweise weibliche Personen bezeichnet, die arm und alt, krank und behindert oder auch rebellisch und frei im Ausleben ihrer Sexualität sind. So wird stets ein Bild gezeichnet von dem, was Frauen NICHT sein sollen oder dürfen – sonst werden sie von der Gesellschaft verstoßen.
Daneben gibt es natürlich noch die guten alten Perchten, die es in unterschiedlichen Variationen gibt. Eines haben sie aber alle gemeinsam: Es sind meist Männer, die sich als unter ihrem monströsen Kostüm getarnt aufmachen, um nicht nur die bösen Geister des Winters auszutreiben, sondern vor allem Gewalt an unschuldigen Umherstehenden auszuüben. Eine Freundin wurde dabei mal so heftig gepeitscht, dass ihre Haut am Oberschenkel aufgeplatzt ist und das Blut durch ihre Hose gequollen kam. Per se ist dieser Brauch vielleicht nicht gegen Frauen gerichtet, doch tragen besonders diese oftmals ein Trauma davon.
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Eine der extremsten Formen von Frauenfeindlichkeit findet sich meiner Meinung nach aber im Brauch der Pehtra Baba. Im Rosental in Kärnten verkleidet sich ein Mann (!) am Vorabend des Heiligen Drei Königstages als „hässliches altes Weib“ (!!) und zieht von Haus zu Haus. Die gefährlich wirkende Pehtra Baba trägt keine Maske, sondern verbirgt ihr Gesicht mit einem schwarzen Stoff. Gekleidet in einen langen schwarzen Kittel und mit einer zweizinkigen Gabel bewaffnet, kriecht sie auf allen Vieren schweigend in die Stube und fordert Würste (!?). Wenn man ihr die gibt, dann bleibt das Haus von Unheil verschont.
Hier weiß ich schon gar nicht mehr, wo ich anfangen soll. Ich finde wirklich alles schrecklich an diesem Brauch. Falls es Menschen aus Kärnten geben sollte, die diese Zeilen lesen und sich denken „Die hat’s ja nicht verstanden!“, schreibt mir gerne. Ich bin mehr als offen, mich eines Besseren belehren zu lassen.
Bis dahin kann ich nur den Kopf schütteln und die Selbstverständlichkeit, mit der wir Frauenkörper degradieren und behandeln. Und das über Generationen hinweg, ohne zu hinterfragen „Wieso?“, „Weshalb?“, „Warum?“. Wenn man nämlich mal genau hinschaut, sind die meisten Bräuche in Österreich – und wahrscheinlich auch in vielen anderen Teilen der Welt – misogyn, sexistisch, rassistisch oder in einer anderen Form diskriminierend. Da bleibt wirklich keine schöne Kindheitserinnerung.