Unser Senf: Eine Ode an die Jogginghose
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Passend zum Welttag der Jogginghose am 21. Jänner macht unsere Redakteurin ihrer Jogginghose eine Liebeserklärung.
Ein Hoch auf die Jogginghose! Im Gegensatz zu einengenderem Beinkleid wie steifen Jeans oder zu engen Bürohosen nimmt sie uns, wie wir sind. Nach einem harten Tag empfängt sie uns in wohlwollender Schlabbrigkeit, nichts erwartend und doch so viel gebend. Und im Homeoffice ist sie beste Kollegin und zugleich steht sie bescheiden zurück, wenn wir sie bei der nächsten Video-Konferenz wieder beschämt unter dem Schreibtisch verschwinden lassen. Doch eigentlich gibt es nichts, wofür wir uns ihretwegen zu schämen brauchen. Ob schlabbrig oder anliegend, löchrig oder frisch gewaschen – das hier, liebe Jogginghose, das geht raus an dich!
Sporthose ohne Sport
Wenn ich persönlich von Jogginghosen rede, meine ich nicht die total funktionalen, Schweiß absorbierenden und Wasser abweisenden Turnhosen, als die sie vielleicht ursprünglich mal gedacht waren. Nein, das Idealbild einer Jogginghose ist für mich ein weiches, ausgetragenes, verbeultes und etwas versifftes Stück Stoff. Ein Stückchen textile Erholung, ein Stückchen Gammelei zwischen all den glattgebügelten Bürohosen. Sobald ich – in Zeiten vor der Corona-Krise – nach einem langen Tag meine Wohnungstür hinter mir zugeworfen habe, striff ich mir erst einmal die Jeans ab und schleuderte sie mit einem Schwung von mir. Herrlich. Fast schon ein schräger Befreiungsschlag. Nimm das, Leistungsgesellschaft!
Wenn die Jeans und Bürohosen die sozialen Korsetts sind, dann sind die Jogginghosen ihre Brecheisen. Denn sobald die Alltagshose aus ist, tripple ich vorfreudig zu meinem Schrank, reiße das Lieblingsschlabber-Beinkleid heraus, als wäre es die letzte Klopapierrolle im Supermarkt, und schlüpfe hinein. Endlich: Hach… Ein Moment der Seligkeit. Endlich schnürt und zwickt nichts mehr; endlich kann ich mich in Posen, die so gemütlich sind, dass sie fast schon obszön aussehen, aufs Sofa fletzen; endlich frei also vom Beingefängnis, das wir „Erwachsenenhosen“ nennen.
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Serviette und Überraschungsei in einem
Und das Beste: Die Jogginghose ist für mich nicht nur schräges Symbol der Freiheit, sondern hat gleich mehrere Funktionen: Zum einen ist sie so etwas wie eine anziehbare Serviette. Hey, verurteilt mich nicht: Wer von euch hat sich nicht schon mal die Finger an der Liefer-Pizza fettig gemacht, sich kurz lauernd umgesehen, ob man auch ja allein ist, und sie dann einfach in die Jogginghose gewischt? Meine Mutter würde ausrasten, würde sie das mitkriegen. Aber mittlerweile bin ich 27 und wische meine Fettfinger da hin, wo es mir passt. Gleichzeitig ist sie aber nicht nur anziehbare Serviette und etwas beschämende Landkarte meines Essverhaltens, sondern auch mysteriöse Fundgrube. Immer mal wieder tauchen in ihren Taschen Münzen, Spangerln oder auch nur Taschentücher auf – meistens genau dann, wenn ich sie dringend brauche. Danke, Jogginghose! Danke besonders für die voll aufgeladene Batterie, die ich letztens aus deinen Untiefen geborgen habe. Man weiß ja nie, wann man mal eine braucht.
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Zuhause als Exklusivität
Obwohl die Liebe zu meiner Jogginghose tiefer geht als das Niveau mancher Reality-Soaps, gehe ich eigentlich kaum mit ihr vor die Tür. Es ist eher eine geheime Liebe, die wir teilen. Hinter verschlossenen Gardinen werden wir auf der Couch so richtig versaut – mit Pizza, Pasta und Co. Nicht weil ich mich für sie schäme, gehe ich in Jogginghose kaum weiter als bis zum nächsten Supermarkt – nein, nein, ich stehe voll und ganz zur textilen Gemütlichkeit. Aber die Jogger-Gammelei ist etwas so Intimes, Privates, Heimeliges, dass ich sie mit dem stressigen Alltag da draußen einfach nicht besudeln will. Ich bin zwar klar gegen Schubladen, aber wenn es schon eine gibt, dann die „Zuhause“-Schublade, in die ich meine Jogginghose gedanklich stecke. Sonst würde das Hosen-von-mir-Werfen beim Heimkommen ja auch keinen Spaß mehr machen. In Zeiten des Social Distancing und des Dauer-Homeoffice, wenn es keine Alltagshosen mehr zu schmeißen gibt, habe ich sogar eine extra Homeoffice-Jogginghose installiert, die etwas ungemütlicher ist als meine reguläre, nur damit ich sie mir nach Ende meiner Arbeitszeit erleichtert von den Lenden reißen kann.
„Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“
– Karl Lagerfeld
Das alles bringt mich schließlich zu einem Mann, der den Jogginghosen in der Vergangenheit viel Unrecht getan hat. Wir alle assoziieren ihn, wenn es um Jogginghosen-Shaming geht: Karl Lagerfeld, der Modezar und Meister des modisch Schicklichen, sagte einst: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Autsch. Und doch muss ich immer wieder an den Sager denken, wenn ich mal wieder mit Jogginghose und Pizza auf dem Bauch vor mich hingammle. Ein Sinnbild der Unkontrolliertheit. Und gut ist es – gibt doch nichts Schöneres, als ab und zu mal die Kontrolle abzugeben. Wer Jogginghosen kategorisch ablehnt, hat also vielleicht im Gegenzug die „G’miadlichkeit“ im Leben verloren. Nur so ein Gedanke.
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Apropos Wellness für zu Hause: Unsere Redakteurin erzählt, warum sie gemeinsames Baden mit dem Partner einfach nicht sexy findet. Was ihr außer baden daheim sonst noch so anstellen könnt, verraten wir euch ebenfalls.