Unser Senf: Fasching, geh‘ schlei-lei-leich dich!
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal rechnet unsere Redakteurin mit dem Fasching ab.
In der Volksschule herrschte am Faschingsdienstag immer Ausnahmezustand: Kaum Unterricht, jede Menge Snacks und buntes Treiben. Gibt es eine bessere Art, dem Schulalltag für ein paar Stunden zu entkommen, als ihm im Fasching mit einem Luftrüssel ins Gesicht zu tröten?
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Ja, die Dinger nennt man tatsächlich so. Ich war auch verwundert. Aber ein gewisses Maß an konstanter Verwunderung ist ja auch eine der Nebenwirkungen des Faschings. Für Erwachsene allerdings. Denn als Kind ist man noch mehr oder weniger immun gegen das Fremdschämen. Weder ist man brüskiert über peinliches Gebaren der anderen. Noch sind die anderen so alkoholisiert, dass man sich überhaupt erst über sie mokieren müsste. Die anderen sind ja ebenfalls noch längst nicht in dem Alter, in dem ein gepflegter Vollsuff für umtriebige Geselligkeit steht.
Doch das wird sich schneller ändern als gedacht: Hätte man mit acht Jahren gewaltig einen in der Faschingskrone, würden mediale Schockwellen das Land erschüttern, würden sich Behörden mit Sanktionen übertreffen, würde Helen Lovejoy von den Simpsons die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und gellen: „Denk’ doch einmal einer an die Kinder!“ Schon ein paar Jahre später „g’hert des hoid afoch dazua“, wenn sich 16-Jährige beim Faschingsumzug in klassischer Suff-Manier abschmusen, bevor sie sich in die nächste Ecke übergeben. Bravo. Tu felix Austria, bibe!
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Einen hamma immer noch trunken
Aber darüber zu nörgeln, ist fast schon genauso ein Klischee wie sich zu Fasching als Clown zu verkleiden. Kann man machen, juckt aber keinen. Dass Tradition und Brauchtumspflege gerne als willkommene Ausrede für außertourliches, also nicht samstagabendliches Volllaufenlassen hergenommen werden, ist nichts Neues und auch nicht bloß auf den Fasching beschränkt. Von den Perchten bis zum Feuerwehrfest, vom Frühschoppen bis zum Weihnachtspunsch nach der Mitternachtsmette prostet selig lächelnd das ganze Land.
Kollektive Rauschzustände ist man also längst gewöhnt. Daher sind sie auch nicht das, was in mir ernste körperliche Abneigung provoziert, sobald mich jemand zu einer „total lustigen“ Faschingsparty einlädt. Im Gegenteil: Unmengen an Alkohol wären da wahrscheinlich meine einzige Rettung. Denn jetzt mal ernsthaft: Meistens unterscheiden sich solche privaten Feiern kaum von den regulären Homepartys – nur dass man einander diesmal in Verkleidung anödet und hie und da mal wer mit seinem Luftrüssel die anderen in gezwungen lächelnde Verlegenheit bringt. Tröröööö! Ja, wir haben’s kapiert, Justin, laute Geräusche sind der Wahnsinn. Jetzt roll den Rüssel wieder ein. Sind die Gastgeber*innen totale Partyfreaks, liegen in der Wohnung vielleicht auch noch vereinzelt unmotivierte Confetti-Häufchen herum, die einem schon von Weitem ins Gesicht brüllen: Jetzt wird’s lustig, verdammt!
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Kostümschlacht aus Polyester und Ekel
Was aber allem voran zum schunkelbereiten Schwachsinnsmarathon beiträgt, sind natürlich die Kostüme. Als Kinder war das Verkleiden noch wirklich aufregend und rückblickend betrachtet auch verdammt herzig. Wie süß ist eigentlich ein 50-Zentimeter kleiner Spiderman, der seinen Windel-Popo bei der kreischenden Verbrecherjagd kaum auf den Beinen halten kann? Doch wie so oft ist etwas, das bei Kindern großen Niedlichkeitsfaktor besitzt, bei Erwachsenen einfach nur schräg. Optimistisch zwingt man sich in total witzige, polyester-glänzende, nach fünf Minuten juckende, vor Schweiß und Bier miachtelnde, eigentlich alles andere als witzige Kostüme, nur um dann auszusehen wie Tinkerbell auf Steroiden. Oder aber man ist, wie in meinem Fall, schon wochenlang im Voraus vollkommen überfordert mit dieser Kostümierungssache, schiebt die Entscheidung vor sich her, bis die unausweichliche Party knapp bevorsteht, setzt im letzten Moment ein Partyhütchen und eine Clownsnase auf und lässt sich den ganzen Abend lang wegen des Nicht-Kostüms mit blöden Sprüchen nerven. Läuft. Nur eben nicht bei mir.
Außerdem bringen die Faschingskostüme nicht nur einen gewissen Fremdschämfaktor mit, sondern öffnen ohne Umschweife erstaunlich schnell die Tür zu Sexismus und Rassismus. Überzeugte Faschingsprinzessinnen und -prinzen werden jetzt natürlich die Bierkrüge auf die Biertische prallen lassen, dass sie überschwappen, und mir etwas von übertriebener Korrektheit und Schmähbefreitheit entgegenlallen. Sollen sie nur. Aber wenn die „narrisch guaten“ Gags Minderheiten diffamieren, Frauen als dumm und minderwertig darstellen und im Allgemeinen rechtslastige Klischees befeuern, dann bin ich lieber schmähstad.
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Rassismus und Sexismus unterm Narrenhut
Während der Villacher Fasching – der sich übrigens bereits erstaunliche 65 Jahre trotz performativen Tiefflügen auf der Bühne halten konnte – im vergangenen Jahr wie gewohnt in den flachen Untiefen des Humors dahin grundelte, hob das Klagenfurter „Stadtgerücht“ 2018 etwa zu extrem rassistischen, frauenfeindlichen Inhalten an. Sketches über Waterboarding und Analboarding sind nun wirklich alles andere als lustig. Und Frauenfiguren, die nur zum Bierholen abgestellt sind und denen die Männer beim Gang hinunter in den Keller auch noch das Licht abdrehen, worauf es sie die Stufen hinabhaut, machen vor allem eines: verdammt traurig. Genauso wie die rassistische Karikatur von einem „Abdullah“, der während dem Bombenbauen über die Caritas meckert, weil sie ihm ein schlechtes Handy gegeben hat. Da kommt das angebliche Facelifting des Stadtgerüchts durch den Intendantenwechsel im Vorjahr reichlich spät.
Im jüngsten Präsidentschaftswahlkampf wurde uns mit aalglattem Dauergrinser prophezeit, dass wir uns noch wundern werden, was alles möglich ist. Und bei solchen ekelhaften Griffen ins Pietät-Klo wundert man sich tatsächlich, was alles durchgeht. Ursprünglich hatten derartige Faschingsgipfel unter anderem den Zweck, sozialpolitische Kritik zu üben und „denen da oben“ gehörig den Schädel zu waschen. Stattdessen neigt man aber immer öfter dazu, lieber „nach unten hin“ auszutreten, auf die Schwächeren. Das beweist etwa auch die umstrittenen Karnevalsauftritte von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer im vergangenen Jahr.
Würde man also unreflektierte Diffamierungen und plumpe Pointen auf Kosten von jenen, die nichts zu lachen haben, als bissige Gesellschaftssatire und Kritik am Status quo bezeichnen, würde man sich so weit aus dem Fenster lehnen, dass man rausfällt. Das wäre übrigens um einiges lustiger als eine Frau, die beim Bierholen die Stiegen hinunterstürzt. Nur ein kleiner Tipp vom Faschingsgrinch.
Genauso viel Grant auf aufgezwungene Ausgelassenheit habe ich übrigens auf die Silvesternacht. Da sitze ich doch lieber in meiner Lieblingsjogginghose auf der Couch.