Unser Senf: Warum ich die Lugner City trotzdem liebe
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal nimmt unsere Redakteurin ihre Beziehung zur Lugner City unter die Lupe.
Es gab eine Zeit, da habe ich im 7. Bezirk direkt am Gürtel gewohnt. Obwohl mich der Ausblick auf die U-Bahn-Station Thaliastraße nur eher selten erfreut hat, gab es einen großen Pluspunkt an der Lage: In nur zehn Minuten war ich zu Fuß in der Lugner City. Makler*innen würden das wohl nicht unbedingt als Verkaufsargument bringen. Denn das dreistöckige Einkaufszentrum von Bauunternehmer Richard Lugner gilt allgemein höchstens als praktisch, mehr noch als abgeranzt und vielleicht ein bisschen grindig. Kolleg*innen erzählen auch von negativen Erfahrungen, die sie dort erlebt haben.
Keine Hipster in Sicht
Ich habe zugegebenermaßen ein etwas verklärtes Bild der Lugner City: In meiner Zeit am Gürtel war “die Lugner” immer mein persönliches Meidling in Neubau. Das mag auf den ersten Blick wenig Sinn ergeben, denn das Gebäude steht weder im 12. noch im 7. Bezirk. Aber ich bin in Meidling aufgewachsen. Und wenn man von Meidling in die inneren Bezirke zieht, dann braucht man manchmal eine Pause von Bobotown.
In den inneren Bezirken gilt modisch gesehen ein anderer Standard als auf der Meidlinger Hauptstraße. Beim Merkur in der Lugner City aber, da hatte ich nie das Gefühl, dass ich underdressed bin. Der Anteil an jungen Menschen in weißen Sneakers, die die klischeehafte Avocado kaufen, ist überschaubar. Es ist der Ort, an dem ich aus meiner Bobo-Blase ausbreche, an dem nicht nur ein kleiner Teil der Gesellschaft, sondern der Querschnitt einkaufen geht. Und an dem es jedem und jeder egal ist, wenn man – überspitzt formuliert – mit der Mode der vorigen Saison herumläuft.
Popcorn, Sushi, Schnaps
Die Lugner City ist mit ihren vielen Geschäften und dem down-to-earth-vibe nicht nur praktisch und auf die gute Art ranzig. Selbst als ich noch in Meidling zur Schule gegangen bin, war die Lugner City ein toller Ort. Das Kino war, neben dem Cineplexx Wienerberg, die erste Anlaufstelle für erste Dates. Ich kann mich noch an den Moment an der Kinokassa erinnern, als ich bei der Frage, ob wir uns einen Kuschelsitz teilen wollen, mit meinem hochroten Kopf am liebsten in einem davon versunken wäre.
Aber auch sonst kann man sich als Teenager hier die Zeit ganz gut totschlagen – nicht nur mit Einkaufen: Ich war in der Lugner City auch mit Freund*innen Running Sushi essen und in einer Bar, in der der Barkeeper laut Selbstauskunft Drinks mixen gelernt hat, indem er einfach alle verfügbaren Spirituosen durchgekostet hat.
Von der Krocha Party zum Vodkashot
Und genauso wild, wie die Mischung des Barkeepers war, ist das Angebot der Lugner City auch jetzt noch. Man kann sich impfen lassen und sich dafür ein T-Shirt mit der Aufschrift “Gemma Lugner” holen (falls jemand dieses Shirt hat und loswerden will, meldet euch). Im Mix Markt gibt es offenbar auch einen eigenen Lugner Vodka namens “Lugneroff”.
Und seit Jahren finden in dem Einkaufszentrum regelmäßig Feiern und Feste statt, wie die Krocha Party vor mittlerweile 13 (!) Jahren, von der ich mir, mit zugegeben voyeuristischem Blick, manchmal immer noch die Videos anschaue. Im Herbst findet das Oktoberfest inklusive Bieranstich und Weißwürsteln statt. Manchmal steht am Lugner Plaza auch einfach eine Hüpfburg. Um das Angebot der Lugner City mit den Worten einer Google-Rezension zusammenzufassen: “Das ist fantastisch, in diesem Ort gibt es alles, auch bitcoin Kauf Automaten.”
Spatzi, Hasi und Mörtel
Und dann gibt es da noch Richard “Mörtel” Lugner, der A-Promi unter Österreichs B-Promis. Seit ich denken kann, ist er in den Seitenblicken. Ja, Richard Lugner ist extrem peinlich, sein Umgang mit Frauen in der Öffentlichkeit problematisch und ich bin sehr froh, dass er kein politisches Amt innehat. Trotzdem kann ich ihm sein Fehlverhalten nur begrenzt übel nehmen. Denn seine Auftritte und PR-Aktionen gleichen dem absurden Theater – und Kunst darf schließlich alles. Weil: Das kann er doch nicht wirklich ernst meinen, wenn er in einem Krampus-Kostüm durch das Einkaufszentrum läuft? Mein kritisches Denkvermögen setzt bei Bildern wie diesen zumindest kurzzeitig aus:
Leider bleibt meine Liebeserklärung aber nicht ungetrübt. Als ich meinen Kolleg*innen von meiner Begeisterung erzähle, sind sie nicht überzeugt. Sie berichten mir davon, dass man als Frau im ansässigen Fitnessstudio durchgehend angegafft wird. Und eine Kollegin erzählt sogar, dass sie in der Pause vom Arbeiten Gewalt erlebt hat.
Habe ich die Lugner voreilig auf ein Podest gehoben? Möglicherweise. Denn wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten – wieso sollte das in einem 30 Jahre alten Einkaufszentrum anders sein? Ganz aufgegeben habe ich aber noch nicht: Mach was, Mörtel, damit die Lugner City der fabelhafte Ort wird, der sie sein könnte!
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