Unser Senf: Schickt mir keine Sprachnachrichten!
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal erzählt unsere Redakteurin, warum sie Sprachnachrichten nicht ausstehen kann.
Es ist 20.21 Uhr, ich sitze in einem Restaurant, nippe am Spritzer und schaue aufs Handy, während meine Begleitung sich gerade „frisch macht“. Plötzlich ploppt eine Nachricht auf, sie leuchtet mir penetrant vom Bildschirm entgegen. Die Absenderin ist eine gute Freundin, aber ich habe keinen Plan, worum es gehen könnte. Kein Hinweis, kein OMG, kein Emoji – nur ein kleiner grauer Pfeil, der nach rechts zeigt, und die Anzeige 3:05. Es ist eine Sprachnachricht. Ugh.
Inhalt unbekannt
Eine Sprachnachricht löst in mir das gleiche Gefühl aus wie ein Anruf in Abwesenheit von einer unbekannten Nummer. Oder zumindest von einer Person, von der ich lange nichts gehört hab: Was will der*die Absender*in von mir? Ist es was Dringendes oder war es ein unbeabsichtigter Hosentaschen-Anruf? Muss ich gleich reagieren oder hat es noch Zeit, bis ich die Büchse der Pandora öffnen muss?
Ihr werdet jetzt vielleicht sagen: “Hä? Dann hör dir die Sprachnachricht doch an?!” Tja, wenn es doch nur so einfach wäre! Meistens trudeln die Sprachnachrichten nämlich nicht ein, wenn man gerade entspannt alleine zu Hause chillt. Nein, sie schleichen sich eher dann in den Posteingang, wenn man gerade mit Freund*innen unterwegs ist. Oder in der U-Bahn. Oder eben im Restaurant. Dann muss die Aufnahme noch ein Weilchen warten, bis ich sie anhören kann. Und schwirrt nebenbei in meinem Hinterkopf herum. Denn ich weiß einfach nicht: Hat ein*e Freund*in gerade was Furchtbares erlebt, das er*sie sich sofort von der Seele reden wollte, oder singt er*sie gerade nur zum Ticken einer Blindenampel Hey Ya von Outkast und will das mit mir teilen? (Ja, das ist tatsächlich schon mal vorgekommen.)
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Vom Stream of Consciousness zum Smalltalk
Nachdem ich die Nachricht gehört habe, stellt sich meist heraus: Es handelt sich weder um ein absolut akutes Problem noch eine absolut fantastische Performance. Viel öfter erzählen die Absender*innen, was ihnen in diesem Moment passiert ist oder was ihnen gerade eingefallen ist und sie unbedingt loswerden wollten, damit sie es nicht vergessen. Schon klar, es ist leichter, sowas schnell mal einzusprechen als abzutippen. Aber mit der einen Geschichte endet es meist nicht. Was folgt, ist ein regelrechter Stream of Consciousness der Absender*innen. Die erste Hürde der Sprachnachrichten ist dann, diesen wirren Gedankengängen zu folgen.
Irgendwann wird aber auch den begabtesten Erzähler*innen bewusst, dass sie schon mehrere Minuten sprechen, ohne eine Antwort zu bekommen. Auf diese Erkenntnis folgt ein Umschwenken zum Smalltalk, um Interesse am Leben der anderen kundzutun: “Anyway, wie geht’s dir eigentlich so? Was hast du die letzte Zeit so gemacht?” Als absolute Sprachnachrichten-Anfängerin bin ich mir nicht sicher: Sind das Höflichkeitsfloskeln oder ist es ernst gemeintes Interesse? Soll ich darauf wirklich antworten? Entsprechend unentschlossen klingen dann auch meine Antworten. Womit wir auch schon zum nächsten Punkt meiner Sprachnachrichten-Abneigung kommen.
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Die Antwort-Awkwardness
Die Antworten sind für mich das Schwierigste an Sprachnachrichten. Denn wie beantwortet man diese Mischung aus Bewusstseinsstrom und Smalltalk-Fragen? Ulysses von James Joyce würde man ja wohl auch eher nicht mit einem Daumen-Hoch-Emoji quittieren. Es gab eine Zeit, da habe ich versucht, meine Nachrichten genre-konform zu beantworten, sprich: auf eine Textnachricht folgt Text, auf eine Sprachnachricht eine Aufnahme, bei der das erste Wort abgeschnitten ist und ich mit meiner Referatsstimme spreche. Allerdings konnte ich mich beim Aufnehmen dann an die Hälfte der Punkte nicht mehr erinnern, die ich beantworten wollte. Also zurück zum Start, Sprachnachricht nochmal anhören, Antwort nochmal aufzeichnen. Weil dieses Spielchen mit der Zeit etwas mühsam wird, habe ich die gesprochenen Antworten schnell wieder aufgegeben und bin dazu übergegangen, einfach zurückzuschreiben. Oder ein GIF zu schicken.
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Ruf! Mich! An!
Es gibt tatsächlich eine Möglichkeit, die Antwort-Awkwardness und den Höflichkeits-Smalltalk zu umgehen. Bei der man sofort zur Sache kommen oder einfach ein bisschen plaudern kann. Richtig: Es handelt sich um das gute alte Telefon. Kommunikation in Echtzeit, obwohl man sich nicht im gleichen Raum befindet. Solltet ihr mir also spontan etwas mündlich mitteilen wollen, ruft mich bitte an. Außer, ihr nehmt ein Outkast-Cover zum Rhythmus einer Blindenampel auf, dann schickt mir doch lieber eine Sprachnachricht, um es für die Ewigkeit zu konservieren.
Du willst auf gar keinen Fall angerufen werden? Dann ist unser Senf zum Thema telefonieren wohl das richtige für dich. Noch mehr Senf findest du in unserer Liste. Wenn du dich anmeldest und sie speicherst, bekommst du alle Updates mit.