Unser Senf: Setzt eure Schutzmasken (ordentlich) auf!
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal kommt unser Senf eher als Appell daher, und zwar an alle, die nach wie vor meinen, sie seien von der Schutzmaskenpflicht im öffentlichen Raum ausgenommen.
Die Infektionszahlen steigen stark an, Arbeitsplätze werden gestrichen, weil Betriebe sie sich aufgrund der wirtschaftlichen Krise nicht mehr leisten können, viele in der Kunst- und Veranstaltungsbranche stehen vor dem Nichts. Das alles besorgt die Menschen. Aber das größte Problem im Corona-Alltag einiger Menschen scheint dennoch ein ein Stück Stoff vor der Hälfte ihres Gesichts zu sein. Was beim Skifahren bei Wind und Schneefall selbstverständlich ist, ist beim Stehen oder Sitzen in der U-Bahn undenkbar. Was für Ärzte und Ärztinnen im Operationssaal bei stundenlangen Eingriffen Alltag ist, führt bei ein paar Minuten Warten in der Schlange bei der Post zu Schnappatmung.
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Kreativ zweckentfremden könnt ihr gut.
Die Gruppe der Anti-Maskers, wie ich sie jetzt einfach mal in Anlehnung an den Begriff „Anti-Vaxxers“ nenne, ist sehr divers: ältere wie jüngere Semester, Menschen verschiedenen Geschlechts, mit weißer, brauner oder schwarzer Haut, Menschen im Designer-Anzug und Etuikleid und solche, die in einer durchgewetzten Jeans-Jacke mit Löchern oder zerschlissenen Hosen unterwegs sind. Diese Beschreibungen sauge ich mir nicht aus den Fingern. Alles schon gesehen – regelmäßig. Es ist nämlich nicht so, als begegneten mir Vertreter oder Vertreterinnen dieser Gruppe nur einmal in fünf Tagen. Nein, sie laufen mir täglich mehrfach über den Weg, besonders, im öffentlichen Verkehr. Einige wenige von ihnen pfeifen vollkommen auf die Maskenpflicht und tragen nicht einmal als Alibi eine irgendwo sichtbar an oder mit sich herum. Manche verstehen die Maske mittlerweile augenscheinlich als Fashion-Statement. Bei ihnen ist die Maske oft lässig unters Kinn geschoben, wenn sie eigentlich gerade Mund, Nase und Kinn bedecken sollte. Auch schon gesehen: Die Maske als eine Art Toupet von den Ohren aus über das auf der Stirn bereits ausgedünnte Haupthaar gespannt. Andere sind sehr kreativ, wenn es darum geht, ihre Masken auf jede denkbare Art zu tragen, nur nicht auf jene, die der Allgemeinheit etwas bringt. Da sind jene, die die Maske von der Nase baumeln lassen wie ein Fähnchen im U-Bahn-Fahrtwind, indem sie nur die oberen Haltebändchen zusammengebunden haben. Dann gibt’s andere, deren Nasenspitze quasi als Zeltstab fungiert, der Keimen und Viren freundlicherweise den Ein- und Ausgang offen hält und schließlich jene, deren Maske zwar Mund und Kinn bedeckt, deren Nase allerdings vollkommen frei bleibt – beinahe phallisch, kommt aber auch bei Frauen vor. Was Freud wohl dazu sagen würde?
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Es ist einfach nur mühsam.
Wenn man die Maskenverweigernden anspricht und sie bittet, die Maske ordentlich aufzusetzen, kommen die meisten der Bitte nach, weil es ihnen eh irgendwo schon bewusst war. Wieso nicht gleich? Angenehm ist es nämlich nicht, öffentlich Menschen darauf hinzuweisen, wie sie sich zu verhalten haben. Das macht man nicht, haben wir gelernt. Vor allem in der Stadt bleiben wir alle bitte schön in unserer Bubble. Wenn man die durchbricht, etwa weil man aufgrund einer lustigen Situation laut auflacht oder dazu eine scherzhafte, an die Allgemeinheit gerichteten Bemerkung fallen lässt, handelt man sich Blicke ein, deren Ausdruck ganz klare Messages überbringt: ein gelangweiltes „Aha?!“, ein verwundertes „WTF?!“ und in seltenen Fällen auch ein entnervtes „Ernst jetzt?!“. Wenn man sein Leben lang als Stadtmensch sozialisiert wurde, liegt die Schwelle dafür, die Alltagsbubble zu durchbrechen, ungefähr auf Seehöhe des Großglockners. Meist halte ich es trotzdem mit dem Nike-Slogan und mach’s im Fall der Maske einfach, ohne viel weiter darüber nachzudenken. Es ist wie beim Sprung in einen eisig kalten Bergsee: Warte nicht zu lange, sonst wird’s immer schwerer. Manchmal überlege ich einen Moment zu lange und dann wächst sich die Frage, ob ich nach Person X auch zu Person Y ansprechen soll, zu einem so lange dauernden inneren Kampf aus, dass die betreffende Person dann eh schon aussteigt und ich erleichtert bin, dass sie jetzt jemand anderes Problem ist.
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Und ich bin dann das Arschloch.
Hat man sich dann dazu durchgerungen zumindest pantomimisch zu bedeuten, das Gegenüber möge sich die Maske über die Nase ziehen, reicht das häufig nicht. Nein, man muss ihnen gefühlt zwei Minuten lang über die eigenen Maskenränder hinweg einen Todesblick zuschießen, bis es ihnen zu unangenehm wird und sie der Bitte nachkommen – ohne zu blinzeln versteht sich, für den entsprechenden Dringlichkeitsfaktor, weil gefletschte Zähne zum Unterstreichen der Aufforderung sieht man ja unter der Maske nicht mehr. Manche kommen der verbalen oder gestischen Bitte nach, schimpfen einem aber gleichzeitig was entgegen. Das ist natürlich sehr nachvollziehbar: Sie machen was falsch, man bittet sie höflich darum, sich korrekt zu verhalten und dann ist man selbst das Arschloch. Ein Hoch auf die Technik! Früher hätte ich verzweifelt versucht, den Spruch „Da rein, da raus!“ in die Tat umzusetzen, aber irgendwie führt das bei mir immer nur dazu, dass ich umso aufmerksamer zuhören. Heutzutage stecke ich mir daraufhin lässig die Kopfhörer in die Ohren und wippe etwas zu stark demonstrativ zu meinem aktuellen Lieblingslied mit dem Kopf. Andere ignorieren die Aufforderung komplett. Was einem zwei Möglichkeiten lässt: Entweder, man lässt ihnen ihre Ignoranz durchgehen, steht als Trottel da und lebt mit der unerträglichen Vermutung, dass sie sich schadenfroh ins Fäustchen lachen. Oder man ruft ihnen durch die gesamte U-Bahn-Station Neubaugasse vor versammelter Passagier-Mannschaft nach, sie sollten nun bitte endlich die Maske aufsetzen, und steht als verrückte Wutbürgerin da. Zum Glück sieht man unter der Maske auch nicht, wenn man rot wird.
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Die Sache ist simpel.
Womit wir gleich bei meiner Frage an alle sind, die trotz Informationskampagnen der öffentlichen Hand in Form von Videos und Postern und sogar TikTok-Tutorials nicht verstehen wollen, wie die Schutzmasken anzulegen, zu tragen und zu behandeln sind: Wie seid ihr eigentlich auf das meterhohe Ross gekraxelt, auf dem ihr durch die Stadt galoppiert wie Napoleon auf dem Weg nach Waterloo? Wie kommt man denn auf die Idee, man sei als einer oder eine von wenigen von Geboten im Interesse der Allgemeinheit ausgenommen? Fakten auf den Tisch: Diese Pandemie ist eine nie dagewesene globale Bedrohung für die allgemeine Gesundheit, die globale Wirtschaft und den unbekümmerten Alltag, den wir in unseren Breitengraden immer so geschätzt haben und um den wir uns alle zehn Finger abschlecken können. Das neuartige Corona-Virus ist ein Erreger, der in den Körpern von Infizierten Schäden anrichten kann, deren Ausmaß noch nicht vollends erforscht und daher nicht verlässlich abschätzbar ist. Wir haben weder ein bestimmtes Medikament, das starke Symptome so weit bekämpft, dass man sagen könnte: „Ist ja wurscht, wenn ich mich infiziere, lieg‘ ich halt zwei Wochen im Bett und binge Serien.“
Noch haben wir aktuell einen Impfstoff gegen das Virus geschweige denn einen in absehbarer Zeit in Aussicht. Auch kann man sich als vermeintlich pumperlg’sunder junger Hupfer nicht darauf verlassen, dass die Sache nicht doch brenzlig bis fatal wird. Für alle Menschen mit Vorerkrankungen wird’s das jedenfalls mit ziemlicher Sicherheit. Die derzeit effektivsten Mittel, die wir gegen die Ausbreitung des Virus, zum Schutz der für einen heftigen Krankheitsverlauf Gefährdeten und zur Vermeidung eines weiteren Lockdowns haben, sind physischer Abstand und Fangnetze für die Tröpfchen, die wir beim Atmen in unsere Umgebung blasen und die wir beim normalen Sprechen unserem Gesprächspartner zu spucken – oder im Fall eines Telefongesprächs vertretend auf die umstehenden Leute. Denn die dienen dem Virus als Kurzstrecken-Billigflieger zum nächsten Wirten. Wenn man also eine Maske aufsetzt, schützt man in erster Linie die Menschen um sich herum, weniger sich selbst. Aber man profitiert ja gleichzeitig von der Tatsache, dass sich die anderen Menschen an das Gebot halten. Die Maske zu tragen ist ein Akt der Solidarität. Und nein, Gesichtsschilder und die am Kinn angehängten Spuckhindernisse vor den Lippen gehen nicht als Mund-Nasen-Schutz durch, das sollte mittlerweile klar sein. Solche Schilder werden im medizinischen Bereich zusätzlich und nicht statt MNS-Maske getragen.
Die Maske ist das geringere Übel.
Freiheitsberaubung, wie manche sich empören, ist die Maskenpflicht jedenfalls ganz sicher nicht. Eng mit der Freiheit wird’s, wenn das öffentliche Leben aufgrund einer zweiten Welle wieder zum Erliegen kommt, wenn wir alle primär alleine in den eigenen vier Wänden hocken oder uns im Familienkreis auf die Zehen steigen und Eltern neben ihrem Job auch noch ihre Kinder schupfen müssen. Die Vorstellung, ein Stück Stoff für beschränkte Zeitspannen und ausgewählte Anlässe über geschätzte 5 Prozent der Körperfläche zu ziehen, sieht gegen das Ausmaß der Alternative aus, wie ein Zwergmausbemmerl gegen eine Babyelefantenflade. Ganz ehrlich: Wer sich beim Tragen einer Stück Stoffs über Mund und Nase unterdrückt fühlt, hat ganz andere Probleme. Mal abgesehen davon, dass diese Befindlichkeiten ein aggressiv in Neonfarben leuchtendes Paradebeispiel eines Luxusproblems ist. Wenigstens können wir hierzulande unseren Alltag mit geringen Beschränkungen weitgehend normal leben. Wir haben auch nicht annähernd so dramatische Erfahrungen gemacht, wie unsere lieben Nachbarn und Nachbarinnen am Stiefel. Dort, habe ich mir erzählen lassen, herrscht eine hervorragende Maskenmoral. Einfach weil klar ist, dass es das geringere Übel ist.
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Es ist einfach nur sozial.
Ich plädiere hier ganz und gar nicht dafür, immer nur blind den Regeln zu folgen. Es gibt reichlich historische und aktuelle Beispiele dafür, dass Regeln manchmal gebrochen werden müssen, um eine Gesellschaft – jetzt mal ganz plakativ gesagt – besser zu machen. Es geht hier auch nicht um Bevormundung, sondern um eine simplen Sachverhalt: Wir leben in einem Gesellschaftsverband in mal mehr und mal weniger bevölkerten Regionen, von dessen Infrastruktur wir alle profitieren. Mit diesen Vorteilen und Möglichkeiten gehen Kompromisse und gewisse Einschränkung der eigenen Freiheit einher, zugunsten eines funktionierenden Miteinanders. Das gilt besonders im bisher für uns nur in Hollywood-Katastrophen-Filmen vorstellbaren Fall einer akuten globalen Gesundheitsbedrohung. Wer das nicht verstanden hat oder es nicht verstehen will, kann gern in eine Einsiedelei irgendwo in den Alpen ziehen und sich dort die Welt machen, wie-de-wie-de-wie sie ihm oder ihr gefällt. Und falls diesen Text wer liest, der schon längst aufgewacht ist und die verblüffende Wahrheit zum Corona-Virus kennt: Ihr könnt euch gern denken, dass wir alle hysterisch und von den Mainstream-Medien manipuliert sind. Das ist euer Recht. Aber solange ihr unter anderen Menschen lebt, habt nicht das Recht dazu, diesen ihre Freiheit zu nehmen, sich möglichst sicher und sorgenfrei durch die Welt bewegen zu können. Seid einfach dankbar dafür, dass ihr gesund seid, und setzt eure Maske ordentlich auf!
Für alle, die es betreffen sollte, hier noch eine Anleitung für den Gebrauch der MNS-Masken:
Falls ihr Bedarf habt, findet ihr am Blog eine Liste von Shops, bei denen ihr fair, lokal und nachhaltig produzierte Masken kaufen könnt. Wir haben uns außerdem darüber Gedanken gemacht, wie sich das Grüßen durch Corona verändert hat. Wie ihr das milde Wetter im Herbst in Österreich noch ausnützen könnt, erfahrt ihr auf unserer Herbst-dahoam-Seite.