Unser Senf: Warum die “Sicherheitstipps für Frauen” eine Frechheit sind
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal geht ihr lieber in Deckung, denn unsere Redakteurin ist wütend, nachdem sie die Sicherheitstipps für Frauen gelesen hat.
Im Internet macht gerade ein Schreiben vom Bundeskriminalamt im Innenministerium die Runde. Rechtzeitig zum feministischen Kampftag (“Weltfrauentag” am 8. März) will man mit der Initiative “Gemeinsam sicher” auf Gewalt an Frauen aufmerksam machen. So weit, so gut. Wer auch immer für die Kampagne verantwortlich war, hat es dann aber ziemlich verbockt. Denn in dem Schreiben, das laut Presse an verschiedene Akteur*innen geschickt wurde, finden sich Verhaltenstipps im öffentlichen Raum, die die persönliche Sicherheit erhöhen sollen.
Tipps aus der Hölle
In grellem Orange steht da zum Beispiel: “Präsentieren sie sich selbstbewusst! Gewöhnen Sie sich generell an, mit selbstbewusstem Schritt, offenem Blick und aufrechter Haltung zu gehen!” Denn ein “selbstsicheres und entschlossenes Auftreten” soll “Täter abschrecken”. Oder weiter: “Hören Sie auf das eigene Gefühl! Bleiben Sie aufmerksam (z.B. verringern Kopfhörer im Ohr die Aufmerksamkeit).”
Hä? Ein selbstbewusster Schritt und ein offener Blick – wie auch immer der aussehen mag – sollen vor Gewalttaten schützen? Anstatt auf die patriarchalen Strukturen in Österreich aufmerksam zu machen, geben das Kriminalamt und das Innenressort Tipps, wie sich Frauen und Opfer von Gewalttaten verhalten sollten, um nicht angegriffen zu werden. Indirekt wird den Opfern damit auch die Schuld in die Schuhe geschoben, frei nach dem Motto “hättest du dich nicht so verhalten, wäre dir das nicht passiert”. Auch Organisationen wie die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie orten hier sogenanntes Victim Blaming.
Aus Fehlern lernen? Fehlanzeige
Solche Tipps für das Verhalten im öffentlichen Raum sind in Österreich leider nichts Neues. Uns fällt dazu zum Beispiel der “wertvolle” Hinweis von Wiener Landespolizeipräsidenten Gerhard Pürstl aus dem Jahr 2016 ein: Gegenüber der Kronen Zeitung sagte er, “Frauen sollten nachts generell in Begleitung unterwegs sein” – und erntete dafür berechtigte Kritik.
Wir fassen also zusammen: Frauen sollen selbstbewusst sein (aber bitte nicht flirty, das könnten Männer ja als Einladung verstehen!), sich nachts von einem feinen Herrn begleiten lassen, ach ja, und keine Kopfhörer tragen. Wir hätten da noch einen Verhaltenstipp für Männer: Werdet halt einfach nicht gewalttätig.
Danke für nichts
Leider ist das alles nicht lustig und auch nicht so einfach. Gerade in Österreich, einem Land, in dem es im vergangenen Jahr 31 Femizide gab, kommen Verhaltenstipps wie diese besonders perfide daher. Denn tatsächlich passieren die meisten Gewalttaten nicht auf offener Straße, sondern im Privatbereich (worauf das Schreiben des Kriminalamts auch hinweist). Und diese Tatsache wird sich garantiert nicht durch Verhaltenstipps für Frauen ändern.
Wir brauchen also keine Sicherheitstipps für den öffentlichen Raum, wir brauchen einen sicheren (öffentlichen) Raum. Wir brauchen mehr Geld für Gewaltschutz und vor allem Präventionsprogramme, damit wir uns über Tipps gegen Angriffe keine Gedanken mehr machen müssen.
Wichtige Helplines
Frauennotruf Wien: 01 71 71 9
Frauen-Helpline: 0800 222 555
Männerinfo: 0800 400 777
In ihrem Kommentar „Heimat bist du toter Töchter“ schreibt Viva-la-Vulva-Mitglied Katrin Grabner außerdem über Femizide in Österreich. Zudem könnt ihr euch bei uns registrieren und der Liste Feminismus folgen, um kein Update mehr zu verpassen.