Unser Senf: Warum das Begrüßen größerer Runden schwierig ist
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal erzählt unsere Redakteurin, warum das Begrüßen vieler Menschen gleichzeitig eine ziemliche Herausforderung für sie ist.
Es ist die Geschichte meines Lebens: Am Abend steht eine Homeparty bei Freund*innen an und ich bereite mich darauf vor wie ein Murmeltier auf den Winter. „Nur ein kurzer Powernap vor dem Fertigmachen“, sage ich mir jedes Mal, während ich mich genüsslich auf die Couch fläze. Und das Faultier in mir flüstert mir mit dummdreistem Grinser zu: „Schlaf nur, Dornröschen. Wir sehen uns in zwei Stunden.“ Daraus könnte man jetzt zwei Dinge schließen: A) dass ich eindeutig zu viele Tierdokus schaue und B) dass ich beim Powernappen etwas falsch mache. Aber darum soll es hier nicht gehen. Nein, viel eher sind es die Konsequenzen meines viel zu späten Aufbruchs, die mich umtreiben. Denn als eine der letzten bei einer Homeparty aufzukreuzen, impliziert eine nicht zu unterschätzende Hürde: Alle anderen sind schon da. Und jetzt?
Hallo erstmal
Meistens stolpere ich keuchend und mit hochrotem Gesicht in die Gastgeberwohnung – schon mal per se nicht unbedingt elegant. Was dann aber oft folgt, outet mich erst recht als soziales Bambi auf dem Eis: eine kleine Menschenmenge, die mich entweder mit großen Augen anstarrt oder – fast noch schlimmer – gar nicht erst bemerkt hat. Das wirft die essenzielle Frage auf: Wie begrüße ich alle, ohne entweder aufdringlich oder unfreundlich zu wirken?
Gehen wir mal davon aus, dass der Großteil der Runde mein verspätetes Dazustolpern registriert hat und mir jetzt erwartungsvoll entgegenglotzt, während ich unsicher im Schutz des Türrahmens verharre. Millisekunden sind es, die darüber entscheiden, ob ich es schaffe, mich nahtlos und unauffällig in die Runde zu integrieren oder mir vorkomme wie der Weirdo des Abends.
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Viel zu viele Bussis
Die erste Option: alle einzeln begrüßen. Das kann unglaublich freundlich wirken, aber auch unglaublich unangenehm werden. Ich stürme also, ringend um gesellschaftliche Anerkennung, auf die erstbeste Person zu und begrüße sie mit angedeutetem Bussi links – Bussi rechts, wobei sich einzig unsere Wangenknochen flüchtig streifen, während ich ihr meinen Namen unvermittelt ins Ohr hauche. Zu früh. Zu viel.
Und hat man erst einmal mit der fröhlichen Luftknutscherei angefangen, kann man ja nicht plötzlich nach der dritten Person aufhören und auf Grußformen mit deutlich weniger performativem Aufwand wie Händeschütteln umsatteln. Was wäre denn das für eine Message? Die anderen habe ich fröhlich abgebusselt, aber dir strecke ich nur meine zittrige, verschwitzte Hand hin? Fies! Was also anfangs als nette Geste begann, wird schnell zur anstrengenden Verpflichtung – und schon hüpft man emsig im Raum umher und drückt wahllos Menschen das eigene Gesicht in ihres, bis der Abend fast gelaufen ist.
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Zwischen too much und too CEO
Fazit: Die eigene Unsicherheit mit überschwänglicher Freundlichkeit kompensieren, ist nicht die ideale Taktik. Dasselbe gilt übrigens auch für halbherzige Umarmungen, wobei da noch deutlich mehr Körperkontakt dazukommt. Homepartys sind eindeutig das falsche Ambiente, um Fremde aus ihrem Gespräch zu reißen und ihnen den eigenen Körper anzubieten. Vielleicht umarme ich aber auch falsch.
Natürlich könnte man das Ganze von Anfang an deutlich cooler angehen und jedem und jeder einzeln die Hand hinstrecken. Ein kurzes Nicken, ein knappes Namennennen – und we’re in business. Business ist aber genau das Problem. Irgendwie scheinen mir Handshakes einfach zu unpersönlich dafür, dass wir alle im Wohnzimmer von gemeinsamen Freunden abhängen und uns in absehbarer Zeit schunkelnd zu „Mr. Brightside“ in den Armen liegen werden.
Eine Viktoria ist eine Viktoria ist eine Viktoria
Die Alle-einzeln-begrüßen-Taktik ist mir also einfach zu anstrengend ist. Außerdem kann ich währenddessen bald meinen eigenen, stakkatoartig hervorgezischten Namen nicht mehr hören. Den haben nach dem dritten Anbahnungsversuch ohnehin schon alle mitbekommen. Aber irgendeine eingetrichterte Gepflogenheit in mir zwingt mich unausweichlich dazu, jedem neuen Gesicht meinen Namen entgegenzuwerfen, der mittlerweile längst selbst zur Grußformel geworden ist.
Ich entscheide also meistens lieber für die zweite Option: ein kollektives Winken mit der Präventivfloskel „Ich mach’s einfach mal so!“ Dann noch ein verschämtes Kichern und ab zum Kühlschrank. Kann funktionieren, muss aber nicht. Nämlich dann, wenn mich die anderen gar nicht erst bemerkt haben. Oder noch schlimmer: Wenn mich nur ein paar bemerkt und meinen traurigen Begrüßungsversuch mitbekommen haben. Dann folgen meist ein paar verhaltene Antwortwinker. Schweigen. Und jetzt erst recht ab zum Kühlschrank.
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Wie man falsch winkt
Winken ist generell so eine Sache, die nur dann aufgeht, wenn sie erwidert wird. Wie etwa, wenn ich eine Freundin vor der Uni in einer Runde von mir nicht bekannten Menschen stehen sehe und ihr von Weitem zuwinke. Sieht sie mich nicht, bemerkt mich garantiert der Typ neben ihr, dem aus seiner Perspektive eine wildfremde Frau von der anderen Straßenseite aus freudig zuwinkt und dann mit eingezogenem Kopf davonhastet. Eigenartig. Oder wenn ich in einem Lokal versuche, den Kellner herzuwinken und er mein Gefuchtel nicht registriert, die anderen Gäste aber schon. Natürlich ist das in der Regel allen Beteiligten herzlich wurscht. Aber ein fahler Beigeschmack von „Du hast es nicht drauf“ bleibt irgendwie doch an einem haften.
Was habe ich also aus meiner Misere gelernt? Entweder ich arbeite intensiv an der Intensität meines Winkens, damit es auch ja alle mitbekommen, oder ich meide vor dem Ausgehen großräumig meine Couch. Vielleicht schaffe ich es ja das nächste Mal, unter den ersten Partygästen zu sein und dann andere Zuspätkommende bei ihren kläglichen Begrüßungsversuchen zu beobachten. Und sollte doch wieder mal alles schiefgehen, gibt es da ja auch immer noch den rettenden Kühlschrank. Immerhin gibt es so gut wie keinen peinlichen Ausrutscher, den ein kühles Bierchen nicht auffangen könnte.
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Ihr habt noch nicht genug von unserem sozialen Unbehagen? Unsere Redakteurin erzählt, warum auch das Hinsetzen in den Wiener Öffis für sie manchmal ein gesellschaftlicher Spießrutenlauf ist. Wenn ihr genug von unserem Schabernack habt und lieber was erleben wollt, helfen euch unsere To Dos weiter.