Unser Senf: Warum Halloween für mich eine einzige Enttäuschung ist
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal erzählt unsere Redakteurin, warum Halloween sie immer wieder aufs Neue enttäuscht.
Am 31. Oktober geht sie wieder los, die Gruselei. Ich habe es allerdings schon längst aufgegeben, mich mitzugruseln. Meine bisherigen Halloween-Anläufe waren leider nicht einmal halb so spaßig, wie es uns die Merchandise-Industrie weismachen will. Denn jetzt mal ehrlich: Meistens ist das Ganze doch nicht mehr als ein willkommener Anlass, sich zur Abwechslung in Verkleidung die Kante zu geben.
Abseits der zwanghaften kollektiven Vernichtung bin ich dem Gruseln ja nicht prinzipiell abgeneigt. Zumindest hat es etwas seltsam Gemütliches, sich gemeinsam vor den Fernseher zu kuscheln und einen Horrorstreifen laufen zu lassen, über den man sich entweder quietschend dauerschreckt oder wiehernd lustig macht. (Wie kann es sein, dass Michael Myers so unglaublich langsam geht und seine Opfer trotzdem hinter der nächsten Ecke überrascht?) Aber alles an Halloween, was über Horrorfilmabende hinausgeht, war für mich bisher eine grandiose Enttäuschung.
Süßes sonst gibt’s – gar nichts
Als Kind hat mich an Halloween natürlich vor allem die Idee fasziniert, kostümiert von Haus zu Haus zu ziehen und Fremde um ihre Süßigkeiten zu erleichtern. Hollywood redet uns ja immerhin erfolgreich ein, dass sich alle Erwachsenen über niedlich verkleidete Kids freuen, die nach Einbruch der Dunkelheit an ihrer Tür läuten. Ein Tipp aus eigener Erfahrung: Das tun sie meistens nicht.
Nach langem Hin und Her hatte ich meine Mutter schließlich so weit, mich mit meinen Volkschulfreundinnen und Volkschulfreunden und einer erwachsenen Begleitperson um die Häuser in unserer Einfamilienhaussiedlung ziehen zu lassen. Vielleicht lag es daran, dass der Trick-or-Treat-Brauch damals in unseren Breiten noch nicht wirklich bekannt war. Vielleicht lag es auch daran, dass keine unserer Zielpersonen so recht ausmachen konnte, welche Horrorfigur ich unter meinem weißen Leintuch darstellen wollte. (Einen Geist natürlich, falls das zur Debatte stand.)
Jedenfalls war die Ausbeute am Ende des Abends alles andere als das, was wir uns erwartet hatten. Während die Kinder in den Filmen am Ende ihrer Umzüge ihre prallgefüllten Sackerln leeren und in Süßigkeiten baden, hatten wir in sinful Simmering Mühe, überhaupt welche zu ergattern. Von kongenialen Abfuhren wie „I bin net daham“ bis zu Auswüchsen an Schlagfertigkeit auf unseren „Süßes sonst gibt’s Saures“-Sing-Sang wie „Ich nehm’ lieber Saures, danke“ lehrte uns dieser Abend zumindest eines: den Umgang mit schonungsloser sozialer Ablehnung. Gut für die Zukunft, schmerzhaft fürs Ego.
Snacks zum Grausen
Was in Halloween-Filmen auch immer wie eine gute Idee aussieht, in echt aber meistens schrecklich danebengeht, sind Halloween-Snacks. Nachdem Trick or Treat für mich gestorben war, versuchte ich mich in den Folgejahren immer wieder an Häppchen, die zwar gruselig aussehen, aber köstlich schmecken. Allerdings wirkten meine Versuche nicht ästhetisch-gruselig, sondern irgendwie grauslich-gruselig.
Nie sahen die Frankfurter mit Mandeln als Fingernägel und Ketchup als Blut aus wie abgeschnittene Finger, sondern eben einfach wie Würstchen mit Ketchup, auf denen man unabsichtlich ein paar Nüsse verteilt hat. Von Spinnen aus Zuckerguss oder kulinarisch nachempfundenen Augäpfeln brauchen wir gar nicht erst anfangen. Diesen Level der Grusel-Cuisine werde ich wohl nie erreichen. Und habt ihr schon mal versucht, einen Totenschädel aus Keksteig zu modellieren? Ich schon. Lasst es lieber.
Kürbisse verstümmeln
Ähnliche Massaker-Flashbacks löst übrigens das Kürbisschnitzen bei mir aus. Ich habe quasi Generationen von unschuldigen Kürbissen auf dem Gewissen, denen ich zuerst mit meinem Messer das Leben geschenkt und es ihnen gleich darauf mit einem unüberlegten Schnitt wieder genommen habe. Wäre ich Gott, hätte ich wahrscheinlich auch Adam mit seiner Rippe erdolcht. In sämtlichen Filmen und Tutorials, ja sogar in den Instagram-Stories meiner Freundinnen und Freunde, sieht das Kürbisaushöhlen und -massakrieren immer unglaublich einfach und spaßig aus. Ist es aber nicht. Zumindest nicht für mich.
Die Misere fängt ja schon beim Aushöhlen an: Mit einem stumpfen Löffel die Innereien aus einem Kürbis zu schaufeln, der bald darauf ein Gesicht besitzen wird, ist irgendwie barbarisch. Und verdammt anstrengend. Und eine Riesensauerei. Als mein Kürbis-Gesichtsgulasch eine Woche nach Halloween dann endlich elendiglich vor der Haustür verrottet war, empfanden wir das beide als Erlösung, der Kürbis und ich. Jetzt lebt er weiter als Kompost. Aber jede einzelne Fratze, die ich verunstaltet habe, hat sich in mein Herz geritzt. Autsch.
Kostüm-Fails
Das mit der Verkleidung ist für mich auch so ein Unding. Auch hier blasen sich meine Erwartungen an mich und meine künstlerischen Fähigkeiten immer über die Realität hinaus auf – und ich detoniere mit viel zu viel Kunstblut im Gesicht und aufgemalten Narben, die eher wie die Zentimeterangaben auf dem Lineal aussehen, auf dem Boden der Tatsachen. Kein YouTube-Tutorial hilft, keine noch so minutiöse Anleitung auf der Kostümverpackung: Mein Gruselfaktor ist und bleibt die Unbeholfenheit meiner Verkleidung – ich schockiere mit Pfuscherei.
Party-Zombies
Und damit die Enttäuschung komplett ist: am besten mit einem furchtbar unfurchtbaren Kostüm ab zur obligatorischen Halloween-Party. Wir haben sie alle, die eine Person im Freundeskreis, die schon drei Wochen vor dem 31. Oktober fragt: „Und? Was machen wir zu Halloween?“ Meistens zucken alle mit den Schultern und lassen sich dann doch zu irgendeiner Massenparty in irgendeinem übervollen Club überreden. Besonders im Verlegenheitskostüm und mit verunstaltetem Kürbis in der Hand gibt man die Feierlaune aber schon bei der Garderobe wieder ab. Allerdings ist es bei diesen Partys doch ehrlicher Weise ziemlich egal, wie perfekt gezogen die Kunstnarben im Gesicht sitzen. Den meisten geht es doch bloß um einen gepflegten Rausch. Dann wird’s auch gruselig, aber ähnlich grauslich-gruselig wie meine Frankfurter mit Mandel-Fingernägeln.
Es ist schon erstaunlich, dass die alkoholischen Hemmungen rapide fallen, sobald es einen Vorwand gibt: Oktoberfest, Silvester, Halloween – und für Westösterreich auch Pfingsten in Lignano. Mit ein paar Promille wär’s sogar egal, wenn man die Anlässe verwechselt und versehentlich als Zombie im Dirndl zur Silvesterfeier wankt. Hauptsache paniert, dann ist alles blunz’n. Alles in allem läuft es für mich dieses Jahr wohl doch wieder darauf hinaus, sich von ein paar mittelmäßigen Horrorfilmen enttäuschen zu lassen. Denn wenn die enttäuschen, gibt es wenigstens etwas zu lachen.