Unser Senf: Warum ich auf Festivals nicht mehr campe
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal erzählt unsere Redakteurin, warum sie auf Festivals nicht mehr campen will und das völlig okay ist.
Sommerzeit ist Festivalzeit. Für mich als alte Festival-Veteranin bedeutete das lange vor allem auch eines: Es ist die Zeit, in der ich wieder einmal mit großem Anlauf über meine hygienischen und komfortbezogenen Schmerzgrenzen springe, in der ich meine Grundbedürfnisse wieder einmal auf ein Minimum reduziere, in der ich die Latte für den guten Geschmack so niedrig ansetze, dass sie vom Zaun bricht. Kurzum: die Zeit, in der ich am Festivalgelände campen muss.
Kein Schlaf, viel Grind
Drei bis vier Tage lebt man also mit wenig Schlaf und viel Grind. Früher war das für mich absolut kein Problem, ja im Gegenteil, diese drei Tage Ausnahmezustand vom sanitären Common Sense fühlten sich geradezu rebellisch an. Nimm das Gesellschaft: Ich stinke wie ein Iltis und frühstücke bacherlwarmes Bier. Punkt für mich. Auch der furchtbar miese Pseudoschlaf, auf den man drei Tage lang am liebsten verzichtet hätte, war irgendwie rechtfertigbar: Du haust dich in den Morgenstunden in die unsagbar unebene Hapfen, nur um dann kurze Zeit später wieder aufzufahren, weil es sich anfühlt, als würdest du bei 50 Grad im Zelt langsam gar werden. Warum? Weil’s eben einfach dazugehört. Und weil’s allen so geht. Geteiltes Leid und so. Und mal ehrlich: Schlaf war für uns an diesen Tagen sowieso eher lästiges Obligatorium als genussvolles Energietanken. Mit einem konstanten Pegel aus Zeltbier und Jägermeister von den coolen Nachbar*innen mit dem riesigen Pavillon wird man erstaunlich genügsam.
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Katzenwäsche mit Babytuch
Da war es nur allzu klar, dass auch Frühstück und Morgenhygiene einen relativ geringen Stellenwert im wilden Festivaltrubel einnehmen. Duschen? Geht mit Feuchttüchern. Händewaschen? Geht auch mit Feuchttüchern – wahrscheinlich werde ich selbst als Mutter keinen so großen Babytücher-Verschleiß zu verzeichnen haben wie nach drei Tagen Festival. Denn aus dem einmaligen Versuch, mich morgens g’schamig im Bikini in die Ranzkabinen, die sie dort Duschen nennen, zu zwängen, habe ich eines gelernt: Die Zeit vergeht viel langsamer, wenn du mit Shampoo im Haar sehnlich auf den nächsten Wassertropfen wartest. Und bringen wird das Ganze überdies erstaunlich wenig. Noch steigst du aus der „Dusche“ und fühlst dich wie die strahlend glücklichen Leute aus der Head-and-Shoulders-Werbung, da bläst dir das Leben auch schon eine Handvoll Dreck ins Gesicht oder schickt dir einen betrunkenen Oberkörperfreien, der dich mit seinem Bierbauch aus dem Weg rammt. Und wenn du besonders viel Glück hast, hat dir auch noch ein sympathischer zugedröhnter Mitmensch in deiner Abwesenheit etwas in deinem Zelt hinterlassen – Magen- oder Blaseninhalt zum Beispiel. Oder seinen betrunkenen Freund.
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Mit 16 war mir das natürlich herzlich wurscht. Oder zumindest war es sehr wichtig, so zu tun, als wäre es mir wurscht. Insgeheim sehnte ich mich nämlich auch damals schon am zweiten Tag nach meinem Bett, nach meiner Dusche, nach meinem verdammten Zahnputzbecher. Zehn Jahre später habe ich mich endlich getraut, mir einzugestehen, dass ich die Coolness vielleicht doch nicht gepachtet habe. Oder dass das Bedürfnis nach einer funktionierenden Dusche und einer erträglichen Schlafstatt nicht uncool ist, sondern eher menschlich. Deshalb haben meine Freunde und ich dieses Jahr auch einen Meilenstein von einer Entscheidung getroffen: Wir fahren nach einigen Jahren Festivalabstinenz wieder einmal gemeinsam auf eines. Und schlafen im Hotel. Frühstücksbuffet statt Milchbrötchen und warmem Bier, eigene Dusche und WC statt Plastikplumpsklo und Baden in der eingesauten Traisen – es gibt nichts, wofür wir uns schämen müssten.
Ihr befindet euch ebenfalls mitten in eurem Festival-Sommer? Wir haben den passenden Survival-Guide für Open-Air-Festivals für euch. Außerdem verraten wir euch, was ihr abseits von Freiluft-Rock’n’Roll im Sommer in Österreich sonst noch erleben müsst.