Unser Senf: Warum ich nicht punschen gehen will
Es ist ja nicht so, als hätte ich sie nicht versucht, diese Sache mit den Weihnachtsmärkten. Man kommt ihnen ab Mitte November ja auch nicht wirklich aus. Gerade segelt noch das letzte hartgesottene Laubblatt in der goldenen Herbstabendsonne von seinem Ast, und schon – boom! – sieht der Wiener Rathausplatz aus wie eine Barackensiedlung für Weihnachtselfen. Und sobald die ersten Lichter die Fenster schmücken wie sonst nur alternative Techno-Partys, bimmelt schon die erste übermotivierte WhatsApp-Gruppe: „Wann gemma punschen?“
Punschen. Das Unwort der Saison. Zu keiner anderen Zeit im Jahr bekommt ein alkoholisches Getränk eine eigene Verbform. Nicht einmal beim Oktoberfest, dem wohl augenscheinlichsten Alibi-Saufevent, fragen dich deine Freundinnen und Freunde: „Gehen wir bieren?“ Nein, picksüßer Tee mit Rum hat offenbar Sonderstatus unter den sozialen Schmiermitteln.
Sich ausbrennen gegen das Frieren
Vielleicht liegt das daran, dass zum „Punschen“ so viel mehr gehört als der tatsächliche Akt des Sich-Niederbecherns. Da gibt es zum Beispiel die klirrende Kälte, die man erst einmal aushalten muss, indem man sich mit Punsch und Co. „von innen wärmt“ – plumpes Gelächter bitte selbstständig einfügen. Paradox, immerhin ist der Punsch doch erst der Grund, aus dem man überhaupt erst zitternd in der Dunkelheit steht. Wer wird sich nach dem dritten sauteuren Häferl noch über philosophische Argumentationslücken aufregen? Stattdessen poltert man lieber im Kollektiv über die horrenden Wucherpreise für so ein Lackerl Gewürznelkensuppe. Aber jetzt steckt man ohnehin schon viel zu weit drinnen im Teufelskreis. Bevor man also droht zu erfrieren, holt man halt noch eine Runde – und leise rieselt der Schotter. Sich einfach in ein Lokal zu setzen, ist keine Option. Das widerspräche doch allem, warum man überhaupt erst ausgerückt ist, nämlich um im Epizentrum der Weihnachtsstimmung vor sich hin zu granteln, verdammt noch mal!
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Das Fest der Hiebe
Und nicht nur das! Zum Allrounderlebnis „Punschen“ gehört immerhin auch ein Übermaß an Ganzkörperkontakt mit Wildfremden. Denn um Nachschub an der Labstelle für Flüssigbesinnlichkeit zu holen, muss man sich erst einmal durch eine zähe Masse an der Weihnachtsstimmung Frönenden kämpfen, hier ein Ellenbogen in die Leiste, da ein Schienbeintritt, und schon würde man viel lieber in irgendeinem Schanigarten vor sich hin spritzweinen. Aber da muss man eben durch. Wortwörtlich. Hat man sich dann endlich bis zur meterlangen Schlange vor der Punschhütte durchgekämpft und die Punschbestellung jenen hinterm Tresen, die mit ihren obligatorischen Weihnachtsmützen und finster-genervten Mienen aussehen wie Weihnachtselfen kurz vorm Generalstreik, entgegengebrüllt, hat man sie dann endlich in Händen, die brennheißen Punschhäferln, an denen man sich fast Finger und Mundschleimhäufe verbrüht. Doch keine Sorge – während man noch überlegt, wie man die glühenden Becher zurück zum Gruppenstandort zurücktransportiert, ohne Verbrennungen dritten Grades davonzutragen, ist der Punsch auch schon wieder ausgekühlt.
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Lieber alleine glühweinen als Gruppenpunschen
Also kommt man nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder da an, wo man vorher war: Irgendwo hinter einem dunklen Standel neben einer Mülltonne, weil man sich dort auf den einzigen noch freien Stehtisch gestürzt hat wie die Heiligen Drei Könige aufs Jesus-Kind, frierend und leicht angepisst. Wenn ich das will, kann ich auch gleich an einem Adventsamstag zu Mittag auf der Mariahilferstraße spazieren gehen. Beim klassischen „Punschen“ auf vollgestopften Weihnachtsmärkten bin ich also lieber raus. Aber sollte jemand mal auf weniger stark frequentierten Märkten ein bisschen glühweinen oder aperollen wollen, bin ich gerne mit dabei!
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Darf’s noch ein bisserl mehr Senf sein? Unsere Redakteurin hat übrigens auch ein gewisses Problem mit Gesellschaftsspielen. Und was ihr in Österreich so alles unternehmen könnt, verraten euch unsere To Dos.
(c) Beitragsbild | Pixabay