Unser Senf: Wieso wir kein weibliches Eis brauchen
Ladies, legt den pinken Nagellack weg, tupft euch den Lippenstift ab und setzt euer strahlendstes Lächeln auf – endlich gibt es Eis für Frauen! Ein weibliches Twinni, um genauer zu sein. Twinna, um das Ganze auf die Spitze zu treiben. Und das wird uns Frauen mit seiner rosa Hälfte endlich mal gerecht. Das geschlechtsneutrale Speiseeis davor konnten wir ja kaum runterkriegen. Immerhin brauchen wir für alles eine ausgeschrieben weibliche Variante, am besten rosa, mit Blümchen – und möglichst heteronormativ.
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Pinker Anstrich
Jetzt mal im Ernst: Da geht man kurz dem Trugschluss auf den Leim, dass wir immer mehr auch gedanklich im 21. Jahrhundert ankommen, und schon drückt uns die Werbeindustrie die Geschlechterklischees erneut mitten ins Gesicht, verpackt in rosa Zuckerguss. Das Problem ist gar nicht so sehr die Farbe an sich – der ausgewaschene Bruder des klassischen Rots kann ja nichts dafür, dass er zur plakativen Differenzierung zwischen den Geschlechtern hergenommen wird. „Mädchen mögen rosa“, „Buben mögen blau“, ob sie mögen oder nicht, das ist das Problem.
Das neue Twinna kippt mit seiner rosa Erdbeergeschmack-Hälfte zumindest halb da hinein – da war jemand offenbar im Einführungskurs Gender-Marketing. Denn dasselbe Produkt pink anzustreichen und dann womöglich noch im Preis zu steigern, weil es die Frauen-Edition ist – was Eskimo in diesem Fall allerdings nicht macht –, das ist bereits ein alter Damenhut. Abgesehen davon ist Gender-Marketing an sich ja nicht verwerflich, würde man es richtig angehen. Immerhin besitzt gerade Werbung die Macht, Stereotype aufzubrechen und zu hinterfragen, wie es etwa der Gilette-Werbespot bewiesen hat, oder sie eben erst recht einzuzementieren, wie zahlreiche Sujets zeigen, in denen Frauen wehleidige Männer bemuttern müssen, alleine den Abwasch machen oder Männer total überfordert am Haushalt verzweifeln.
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Was männlich ist, ist eh normal
Das macht Eskimo mit seiner Twinna zwar nicht, dafür aber etwas anderes, das zwar längst als sexistisch enttarnt ist, aber dennoch immer wieder zurück in die Köpfe kriecht. Man entwickelt eine Frauen-Edition zusätzlich zum gängigen Produkt und isoliert damit die weibliche von der Normzielgruppe. Seit einigen Jahren gibt es zwar ein „Mädchen-Überraschungsei“, verziert mit rosa Schmetterlingen und gefüllt mit Spielzeug „speziell für Mädchen“, aber kein eigenes „Buben-Überraschungsei“, und jetzt eben ein „Frauen-Twinni“ und kein „Männer-Twinni“. Was bleibt übrig? Der Status quo ist männlich. Weiblichkeit ist eine Abweichung. Hätte man sich zusätzlich zum Grundkurs für Gender Marketing auch in irgendeine Vorlesung über Gendertheorie gesetzt, wäre einem das ziemlich schnell aufgefallen. Beim Ü-Ei für Mädchen ist es das anscheinend wenigstens im Nachhinein: „Natürlich dürfen auch kleine Jungen mit dem überraschenden Inhalt spielen“, liest man im Beschreibungstext, der damit selbst beweist, wie unnötig das Mädchen-Branding von Anfang an war.
„Hier habt ihr ein Eis!“
Das alles formt unser Denken. Fast so sehr wie die Sprache selbst. Und die ist es, worum es Eskimo angeblich vor allem geht: Man will laut Pressemitteilung endlich „farbenfrohe Vielfalt in der Eskimo Eistruhe“, indem man zu all dem Der und Das endlich auch eine Die mit der Brechstange hineinkonstruiert. „Die Twinna“ – der einzige Eislutscher mit weiblichem Genus. Toll! Das hat uns gerade noch gefehlt. Zwar sorgt genderneutrale Sprache immer noch für hitzige Debatten, Frauen sollen sich immer noch „einfach mitgemeint“ fühlen, wenn Männer über Männer reden, aber wenigstens im Eisregal soll man künftig „die“ zum Eislutscher sagen, weil die Werbung das so verlangt. Das wird erstens niemand machen, und wenn, dann wahrscheinlich mit süffisantem Unterton, und zweitens ist das angesichts der zähen Genderdebatte an Zynismus nicht zu überbieten. „Ihr verdient zwar weniger als eure männlichen Kollegen, seht euch immer wieder Alltagssexismus ausgesetzt und müsst euch nach wie vor für eure Körper schämen, aber hier habt ihr ein Eis.“
So meint das Eskimo natürlich nicht, das kann man ihnen schon glauben. Eigentlich will man damit ja nur „alle Frauen feiern“, wie die Presseaussendung weiter plump verlautbart. Das lässt sich schnell einmal behaupten. Aber muss die Stärkung der Frau immer wieder einhergehen mit einem Griff ins Gender-Fettnäpfchen? Auch die Veranstaltenden des Donauinselfests haben es mit dem neuen Frauenbereich eigentlich nur nett gemeint. Doch nett ist das kleine Geschwisterchen von ungeschickt, um es salonfähig auszudrücken. Denn denkt man das Konzept weiter, ist auch da der logische Schluss: Frauen brauchen erst einen abgesperrten Bereich, um sich wohlzufühlen, Männer dürfen das überall. Statt also die Geschlechtertrennung gänzlich wieder einzuführen und fröhlich in die 1950er zurück zu lindyhoppen, sollten wir vielleicht eher daran arbeiten, dass sich alle überall gleichwertig und geborgen fühlen, egal welche genitale Ausstattung sie mit sich herumtragen.
Finger weg von Klischees
Um den Frauen in der Gesellschaft den Rücken zu stärken, braucht es also keine markttauglich herbei konstruierten Produkte und Angebote, die davor weitgehend alle Geschlechter angesprochen haben. Für den Anfang würde es schon reichen, die Finger von unzeitgemäßen Klischees zu lassen, nur um Quoten zu steigern, und damit den ohnehin schon mühsamen Kampf der Frauen um echte Gleichberechtigung ad absurdum zu führen. So schwer ist das nicht. Das würden die meisten Frauen sicher feiern.
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Darf’s noch ein bisserl mehr Senf sein? Dann lest euch durch, warum wir den Feminismus heute immer noch brauchen. Außerdem stellen wir euch ein paar Österreicherinnen vor, die uns Tag für Tag inspirieren.
(c) Beitragsbild | Eskimo | K. Taufner-Mikulitsch