Unterwegs mit dem Foodtruck der Caritas
Wer „Caritas“ hört, denkt schnell einmal an die Gruft oder die Geflüchtetenhilfe. Manche erinnern sich vielleicht sogar noch an den Aha-Moment im Latein-Unterricht, als sie „Caritas“ im Stowasser unter „Wohltätigkeit“ fanden. Und wieder andere hören im Hinterkopf einen stereotypen Wiener genau das Gegenteil unken: „Heast, i bin net de Caritas!“ Doch macht die Caritas als Institution, nicht als Posten im Latein-Vokabelheft oder im Einserschmäh-Repertoire, noch so einiges mehr. Ob Katastrophenhilfe oder Unterstützung von Menschen mit Behinderung, ob Beratung von geflüchteten Menschen in Österreich oder die Bekämpfung der Armut in aller Welt – Bedarf an karitativer Arbeit gibt es an vielen Orten. Überall gleichzeitig vorbeizuschauen, wäre gar nicht möglich; wir sind ja nicht die Caritas. Also haben wir das Street-Food-Projekt der Caritas Linz besucht.
Als wir die Großküche betreten, ist Koch Dieter Thalhammer zusammen mit seinen Lehrlingen bereits routiniert am Vorbereiten. In einer Stunde wird der Foodtruck mit dem klingenden Namen „Speisewagen“ Richtung Linzer Domplatz ausfahren und dort Essen verkaufen. Davor muss allerdings noch das Putenfleisch vorgebraten, das Gemüse gegart und das Tzatziki abgemischt werden. Denn heute gibt es Gyrospfanne für die Fleischtiger, gebratenes Gemüse nach griechischer Art für die, die lieber auf vegetarische Ernährung setzen. Die Nachspeise eint die beiden Lager: Kokos-Erdbeer-Tiramisu gibt’s für alle.
Ausbildung für Jugendliche in Beeinträchtigung
Während das Gemüse auf der Kochplatte brutzelt, stellt er uns seine vier auszubildenden rechten und linken Hände vor: Verena Durak (17) und Mariusse Bakolou (21). „Mit Verena müsst ihr deutlich sprechen“, sagt er. Sie trägt große Hörgeräte hinter ihren Ohren. Die Lehrküche des Foodtrucks ist Teil der sogenannten „Beruflichen Qualifizierung“, die Jugendliche und junge Erwachsene mit Beeinträchtigung bei der Caritas Linz absolvieren können. Drei Jahre lang machen sie ihr Arbeitstraining in Bereichen wie Küchenausbildung, Hauswirtschaft oder Reinigung, um am Ende ein „realistisches Berufsziel“ zu entwickeln. Mariusse ist da eine kleine Ausnahme: Sie macht eigentlich eine Kochausbildung in einer Schulküche und im Rahmen ihrer verlängerten Lehre ein Praktikum beim „Speisewagen“ der Caritas.
Kochen macht ihnen beiden Spaß, auch wenn es manchmal ganz schön anstrengend werden kann – besonders bei so großen Mengen. Um die 50 hungrigen Mäuler versorgt der Speisewagen durchschnittlich, wenn er am Domplatz steht. Das ist schon eine ganze Menge Gemüse, die Verena angestrengt mit dem Kochlöffel umrühren muss. Sie ächzt ein wenig, grinst dann aber ironisch. „Armmuskeln“, deutet sie scherzhaft auf ihren Oberarm. Am liebsten kocht sie hier eigentlich Schnitzel. Das macht sie dann auch zuhause nach. Bei Mariusse zuhause gibt es vornehmlich afrikanische Küche. Sie kommt ursprünglich aus Togo und lebt seit zehn Jahren in Linz, erzählt sie. „Was? Du kommst also gar nicht von hier?“ – ironisch spielt Koch Thalhammer auf ihre Hautfarbe an. Mariusse verdreht kurz scherzhaft die Augen und lacht zurück. Jovialer Schmäh gehört hier offensichtlich genauso dazu wie die sorgsame Betreuung.
„Ich arbeite einfach gerne mit Jugendlichen“
Sie ist es auch, die Thalhammer von der Großgastronomie zur Caritas gezogen hat: „Ich bin nicht bei der Caritas, weil ich so kirchentreu wäre, sondern weil ich einfach gerne mit Jugendlichen arbeite, vor allem mit Jugendlichen mit Beeinträchtigung.“ Ums Geld geht’s ihm schon lange nicht mehr – jetzt dreht sich alles ums Soziale. „Das ist wirklich erfüllend“, sagt er. Wichtig ist es, sich immer wieder neu auf die individuellen Bedürfnisse der Auszubildenden einzustellen. Und das spürt man im Umgang mit seinen Schützlingen: Hier mal eine resche Frotzelei, da mal ein freundschaftliches Wort, und dazwischen immer wieder deutlich artikulierte Anweisungen und Erklärungen der Arbeitsschritte, bis alles fertig und bereit zum Aufbruch ist.
Nachhaltigkeit auf allen Ebenen
Am Domplatz begrüßt die Foodtruck-Crew Mitarbeiterin Christina Pamer-Janneh in der prallen Sonne. Erst mal stellen sie gemeinsam zwei Gastro-Schirme, Stehtische und Heurigentisch und –bankerln auf, damit die Wenigen, die ihr Essen gleich hier verputzen, sich einbilden können, der Sonne für einen Augenblick entkommen zu sein. Und dann kommen auch schon ein paar Mittagshungrige. Die Bestellung tippt Christine (?) in ihr Tablet ein – das Fleischgericht kommt auf 7,90, die Veggie-Version auf 7,40 Euro. Es sei denn, man bringt sein eigenes Geschirr mit. Dann kostet das Ganze 50 Cent weniger. Denn das Foodtruck-Konzept ist hier nicht nur ein sozial, sondern auch ein umwelttechnisch Nachhaltiges. Gekocht wird überwiegend mit regionalen Zutaten und Einweg-Geschirr und –Besteck sind biologisch abbaubar, obwohl man ihm das auf den ersten Blick nicht unbedingt ansieht. Und tatsächlich kommen immer wieder Gäste mit mitgebrachten Behältnissen von Tupperware bis Tellern.
Den Truck haben innen Verena und Mariusse fest im Griff. Sie geben Portion für Portion aus, während Dieter Thalhammer das Ganze aus einiger Entfernung vom Stehtisch aus beobachtet. Eingreifen muss er höchst selten, eigentlich gar nicht. Nur einmal nutzt er die ausbleibenden Kundinnen und Kunden, um Mariusse daran zu erinnern, etwas sparsamer mit dem Tzatziki umzugehen. Auch uns hat inzwischen der Guster und die Neugierde gepackt und wir holen uns zwei Portionen, eine mit Fleisch, eine ohne. Und natürlich eine kühle Nachspeise, ohne die ist das Menü ja nicht komplett. Das Essen ist sowohl leicht als auch sättigend, wirklich gut gewürzt und wäre auf Festivals definitiv eine willkommene, nahrhafte Alternative zu Hotdogs und Donuts. Aufs Nova Rock oder Ähnliches hat es die Crew zwar bislang noch nicht verschlagen. Aber neben dem Domplatz steuern sie vier- bis fünfmal in der Woche auch andere Locations an, versorgen etwa die Polizeischule mit einem raschen Mittagessen oder lassen sich für Veranstaltungen buchen.
Freiwillige vor!
Seit 18 Monaten läuft das Projekt „Speisewagen“ bereits. Finanziert wurde es bisher durch eine Startfinanzierung vom Ministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und über Spenden; ein Modell, das allerdings mit Ende Juli ausläuft. Ab dann übernimmt die Caritas die Kosten, die der Foodtruck nicht selbst durch seine Einnahmen decken kann. Aber das war einkalkuliert, meint Thalhammer gelassen. Dennoch kann die Crew helfende Hände gebrauchen. Ab Herbst sucht die Caritas nach freiwilligen Helferinnen und Helfern für das „Speisewagen“-Team, sei es an der Essensausgabe, beim Kassieren oder beim Vorbereiten. Wem das Projekt so sympathisch ist wie uns – oder wer unbedingt selbst bei den unterschiedlichsten Gerichten mitmischen möchte –, kann sich telefonisch unter 0732/797368 2831 oder per Mail an iris.steiner@caritas-linz.at anmelden. Bei der netten Atmosphäre waren wir sicher auch nicht das letzte Mal hier. Also wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja beim „Speisewagen“.
Noch mehr soziale Themen gefällig? Wir haben eine Musikschule besucht, bei der Menschen mit und ohne Fluchterfahrung so viel für ihren Musikunterricht bezahlen dürfen, wie sie können. Außerdem haben wir Österreichs einziges Augustin-Ehepaar beim Zeitungen-Verkaufen am Naschmarkt begleitet.