Warum der Valentinstag vielleicht garnicht so furchtbar ist, wie man denkt
Meine Netflix-Empfehlungen zu romantischen Komödien oder Nachrichten von Freunden, lassen mich jedes Jahr aufs Neue erkennen, dass der Valentinstag in meinem Kosmos nicht wirklich existiert. Der 14. Februar ist für mich ein Tag wie jeder andere – business as usual. Niemand wird mir vorsätzlich Rosen oder gar Pralinen schenken, ganz zu schweigen von einer Einladung zu einem stimmungsvollen (Online-)Date. Was vielleicht wenig hingebungsvoll klingt, ist aber durchaus eine bewusste Entscheidung, die wenig mit meinem aktuellen Beziehungsstatus zu tun hat. Selbst wenn ich in einer vorbildlichen Liaison wäre, der Valentinstag würde mich weder begeistern noch tangieren. Ich war nie der Typ, der von einer pompösen Traumhochzeit in weiß träumt, oder glaubt, dass der Besitz eines Golden Retriever obligat ist für das perfekte Familienglück.
Liest man im Geschichtsbuch, so hat der Valentinstag, in der romantischen Form wie wir ihn heute kennen, seinen Ursprung in der britischen und amerikanischen Kultur, die nach dem zweiten Weltkrieg bis nach Zentraleuropa überschwappte. Stark motiviert von Blumenhändler*innen und Süßwarenfabrikant*innen, wird nun seit über 50 Jahren ein ganz bestimmter Tag Mitte Februar der Amore verpflichtet.
Rosarote Brille vs. Herzschmerz
Mir kommt es oft so vor, als wäre der Valentinstag hauptsächlich für Menschen relevant, die entweder frisch verliebt sind, oder denen gerade das Herz gebrochen wurde. Trifft ersteres auf dich zu – grandios! Halte so lange es geht an diesem Gefühlsfeuerwerk fest und erfreue dich an der Schönheit deiner Umgebung. Hast du Liebeskummer – sorry, es geht vorbei! Bis dahin lass deinem Unmut freien Lauf, übe dich in Voodoo, lege Hymnen wie Justin Timberlake’s ‚Cry Me A River‘ auf und achte auf reichlich Flüssigkeitszufuhr. Die Tränen, die du momentan vergießt, sollen nicht dazu führen, deinen Körper von innen heraus auszutrocknen. Ist man unglücklicher Single, dann ist der Wunsch nach einem rundum perfekten Date wohl der falsche Zugang, denn der Druck ist viel zu groß. Der Valentinstag kann für leidende Liebende schon mal ein Speer mitten ins Herz sein, deshalb ist Ignoranz in diesen Fällen richtig und wichtig. Ich persönlich finde den 14.Februar ähnlich stressig und überbewertet wie Silvester, da auch zu diesem Anlass nie etwas Außergewöhnliches passieren wird. Keine glamouröse Party und keine ambitionierten Vorsätze können eine Lebenssituation in nur einer Nacht komplett auf den Kopf stellen. Und doch ist der romantische Spirit im Februar omnipräsent, er prägt das Stadtbild, die Medien und die Gemüter der Menschen.
Ich kann durchaus nachvollziehen, dass viele Paare den Valentinstag zelebrieren als gäbe es kein Morgen und wirklich voll und ganz darin aufgehen. Genauso bin ich mir aber auch sicher, dass sich einige Personen zu übertriebenen Feierlichkeiten unfreiwillig gedrängt fühlen. Für mich gehen die Wörter Liebe und Zwang einfach nicht Hand in Hand – deshalb habe ich bis jetzt immer gesagt: danke aber nein danke! Ich feiere die schönste Sache der Welt ein anderes Mal, spontan, oder genau dann, wann es mir in den Kram passt, vielleicht sogar auch mal zufällig am 14. Februar.
Weniger Stressen, mehr verlieben
Bevor ich den Valentinstag aber pauschal bashe, ist mir in Gesprächen mit Kolleg*innen und Freund*innen aufgefallen, dass es doch einen Sinn hat den Tag der Liebe zu würdigen. Man sollte einfach den Stress rausnehmen, denn es ist doch eine exzellente Gelegenheit den eigenen Status Quo zu bestimmen. Mal kurz inne halten, reflektieren und sich selbst eingestehen, wie erfüllend die Beziehungen, die man führt, wirklich sind. Wo noch Luft nach oben ist und wo man sich vielleicht selbst belügt, einfach weil es gerade bequem ist. Diese Momente der Wahrheit sind immens wichtig, da sie nur zu gern vom Ballast des Alltags vergraben werden und selten in das Bewusstsein gelangen. Wenn du also von deinen 436 Tinder Matches gelangweilt bist, in einer Beziehung steckst die nur irgendwie okay ist oder mit dir selbst nicht im Reinen bist, dann hilft es schon mal sehr dies aktiv zu erkennen. Nimm dir Zeit für dich, deine Familie und Freunde, denn der Rest ergibt sich sowieso von selbst – nämlich dann, wenn man es am wenigsten plant, erwartet oder erzwingt.
Der Valentinstag als Gedenktag für Romantik steigert die Awareness für das Thema und das ist auch gut so. Für Zynismus und Realismus ist sowieso viel Platz in dieser Welt, wenn es aber um die Liebe geht, muss man mit anderen Maßen messen. Die Amore entzieht sich nämlich jeglicher Rationalität und verlangt danach die Kontrolle abzugeben, auch mal Kompromisse einzugehen. Vielleicht sollte ich mich selbst dazu motivieren, mal öfter für Harmonie und Einigkeit einzustehen – wenn der aktuelle Zeitgeist schon von Mauern, Spaltung und rechtem Populismus bestimmt wird.
Feiertage feiern wie sie fallen
Egal ob man den Valentinstag hasst, liebt oder ob er einem absolut gleichgültig ist: Feiertage und Gedenktage haben grundsätzlich schon ihre Berechtigung, egal ob wirtschaftliche oder religiöse Motive dahinterstecken. Ich denke auf den Zauber von Weihnachten, Muttertags-Gedichte oder delikate Faschingskrapfen möchte niemand so wirklich verzichten. Ein bisschen Liebe in den Alltag reinzulassen hat noch niemandem geschadet, solange dies aus freien Stücken passiert. Und sind die letzten Zyniker*innen noch immer nicht überzeugt, so ist eines sicher: die Blumenindustrie wird im Februar boomen, was man ja nur unterstützen kann, denn feudale Sträuße und Pralinen sind schon sehr okay und legitim. Also ihr lieben Leute: go for it und lasset die Euroscheine regnen bis die Wolken wieder hellgrau sind oder bastelt euch die Finger wund. Zeigt euren Liebsten, wie gern ihr sie habt an diesem Tag, aber auch möglichst oft so spontan zwischendurch. Nur das ist wirklich authentisch und der Überraschungseffekt macht den großen Unterschied – Zuneigung ist das Zauberwort, ganz egal ob für Mann oder Frau, Mama oder Papa, Hund oder Katze.
Wer trotzdem noch Anti-Valentinstag ist, findet hier ein paar Ideen, um sich dennoch zu amüsieren. In Wien vergeben wir Ende Februar übrigens unsere 1000things Awards – stimmt jetzt für eure Lieblingslokale ab!
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