Mit Rollator im Club: Techno für alle bei Vierviertel Vienna
So ziemlich alle Techno-Partys finden zu einer Zeit statt, die eigentlich zur Erholung gedacht ist: in der Nacht. Damit schließen viele Events ganz automatisch ein Publikum aus, das bei sozialen Happenings eh viel zu oft vergessen wird. Vierviertel Vienna will das ändern.
Woran denkt ihr, wenn ihr an Techno denkt? An düstere Clubs und komplett schwarz gekleidete, junge Menschen, die energisch durch die Nacht stampfen? An harte Bässe und das Dröhnen im Kopf am nächsten Morgen? Wenn es den „nächsten Morgen“ in der Form überhaupt gibt, denn meist ruft nach der Party ja noch eine Afterhour.
Aber Techno kann auch anders. Und genau hier setzt das Team von Vier::tel Vienna mit einer neuen Veranstaltungsreihe an: „Wir wollen Techno Menschen näher bringen, die noch nie zuvor Techno gehört haben, die Vorurteile haben oder die Musik nicht einordnen können“, sagt Leyla im Interview, das bei Tageslicht im Flucc stattfindet, während der Geruch der vergangenen Partynacht noch nicht ganz aus den Räumlichkeiten vertrieben werden konnte. Neben Leyla (rechts) gehören noch Tom aka Fauser (links) und Tatjana aka SNDRxone (Mitte) zur Crew.
Die drei haben sich über verschiedene Ecken zusammengefunden: Tom und Tatjana sind beide schon einige Zeit hinter diversen Mischpulten – in Österreich und Deutschland – unterwegs. Getroffen haben sie sich das erste Mal bei Tatjanas Show „Basic Instinct“ für das Community-Web-Radio Res Radio, den Tom mit organisiert. Leyla ist unter anderem ebenfalls musikalisch unterwegs, spielt mit ihrer Band hauptsächlich türkische Musik aus den 70er-Jahren und ergänzt das Trio um eine weitere Komponente: ihren Verein IKIGAI, der Kunst, Kultur und Bildung miteinander vereint.
Kein übliches Afterwork-Event, sondern richtig Techno
Die Events finden in der Flucc Wanne statt und beginnen bereits um 18 Uhr. Zapfenstreich ist um 23 Uhr: Das Projekt ist „quasi Afterwork-Clubbing, wo man aber nicht irgendwo in einer Bar sitzt und Spritzer trinkt, sondern den Clubgeruch auch spüren kann“, beschreibt Tatjana ihr Vorhaben. Das Konzept Afterwork sei eh ein bisschen zu steif gedacht und beinhaltet meist Anzugträger*innen. Vierviertel hingegen ist ein richtiges Techno-Event, das zum Tanzen einlädt. Nur eben früher. Und nicht so anstrengend.
Neben anderen Problemen der Wiener Clubszene ist nämlich genau die Anstrengung ein Punkt, den man laut Tom relativ einfach beheben kann: „Clubbing ist anstrengend. Es braucht viel Energie, um an einer Veranstaltung teilzunehmen. Und das ist eine Barriere, die nicht zwingend da sein müsste – da setzt das Projekt an.“
Bei Vierviertel geht es also darum, Techno und Clubbing im Allgemeinen für alle zugänglich zu machen und eine Atmosphäre zu schaffen, die von Frieden und Liebe geprägt ist. Das schließt die üblichen Verdächtigen nicht aus, sondern öffnet die Tanzfläche eher jenen, die das Fortgehen für sich schon aus ihrem Leben verdrängt haben:
„Einerseits gibt’s diesen Anspruch, Leute neu reinzuholen, die vielleicht noch wenig Kontakt hatten mit Techno oder Clubbing. Andererseits auch die Leute, die damit aufgewachsen sind und Erfahrungen haben, aber einfach sagen: ‚Mir taugt das alles nicht mehr so, weil es nachts stattfindet.'“
– Tom
Mit Oma und Opa im Club? Why not!
Zielgruppe sind daher genau die Menschen, die man normalerweise nicht (mehr) im Club antrifft. Vor allem Senior*innen will das Team mit ihrem Projekt ansprechen – Inklusion über Generationen hinweg:
„Ob es die sind, die früher Techno gefeiert haben, die jetzt aber nachts schlafen wollen. Oder die 40- und 50-jährigen – jede*r ist eingeladen. Manchmal braucht es ja nur ein bis zwei Stunden, um ein bisschen abzutanzen, und dann reicht’s auch.“
– Tatjana
Um das Ganze noch einladender für ein älteres Publikum zu machen, ist der Eintritt ab 55 Jahren gratis. Obwohl der reguläre Preis mit 5 bis 10 Euro für eine Party sowieso mehr als human ist. Die Flucc Wanne ist darüber hinaus der ideale Veranstaltungsort, weil sie auch Hürden in Bezug auf Mobilität entgegenwirkt: Eine Rampe sowie ein Rollstuhl-Lift sorgen für Zugänglichkeit, auch die Toiletten sind barrierefrei.
Außerdem kann man sich hier bequem im Sitzen an Techno herantasten: „Wir stellen Tische unten auf, damit man sich hinsetzen und so am Geschehen teilhaben kann – ohne sich auf die Tanzfläche stürzen zu müssen“, so Tatjana.
Wer sich übrigens fragt, zu wessen Musik bei Vierviertel im Takt gewippt wird, kann selbst auf der Facebook-Seite nachschauen. Warum das so ist, verrät Tatjana: „Es geht um die Menschen, deswegen pushen wir das Line-up auch gar nicht so immens. Man kann natürlich nachschauen, wer auflegt, aber das soll kein Hauptfokus sein.“
Das nächste Vier::tel-Event findet am Donnerstag, 16. Mai 2024 statt. Wir sehen uns auf dem Dancefloor – oder eben im Sitzbereich!