Kunterbunt statt zuckerlrosa: Meine Wahrheit übers Mamasein
Mamasein ist wunderschön und ganz schön hart, findet unsere Redakteurin. Deshalb hat sie ihre gnadenlos ehrliche Wahrheit übers Mamasein aufgeschrieben:
Mamasein ist wunderschön. Und ganz schön hart. Mamasein ist schmerzhaft, glücklich, kompromisslos, verändernd, aufregend, einsam, wertend und ganz sicher niemals langweilig (oder doch?!). Und das schreibt eine, die selbst seit zehn Monaten Mama ist, die davor mit all dem „Babydingens“ nicht viel am Hut hatte und ordentlich hineinkatapultiert wurde, in eine Welt zwischen Wunder und Wahnsinn. Und weil eine ganze Generation vom perfekten Mamaideal auf Instagram und Co. geblendet wird, kommt hier die gnadenlos ehrliche Wahrheit (von mir) übers Mamasein, das so ganz anders ist, als fast alle denken.
Gleich vorweg: Mamasein hat viele Gesichter
Im Prinzip ist es ganz einfach: Es gibt so viele Wahrheiten übers Mamasein, wie es Mamas gibt. Und doch war selten ein Thema so sensibel, bewertet, explosiv wie dieses. Wehe, eine Mutter fühlt anders, denkt anders, erlebt anders – dann muss der Fehler ja bei ihr liegen. Stimmt’s? Und außerdem zeigen uns die sozialen Medien tagtäglich, wie es sein kann, Mama zu werden. Nämlich romantisch, farbneutral und rundum glücklich.
Die wunderbare Illusion erlischt aber ziemlich schnell, wenn einen Gefühlswirrwarr, Überforderung bis hin zur postpartalen Depression einholen. Wenn das hübsche Babyzimmer nur Zierde bleibt, weil das Baby keine Sekunde alleine dortbleiben möchte. Wenn sich zu all den pädagogisch wertvollen Spielsachen urplötzlich knallbunte, trötende Plastikdinge gesellen. Es ist eine gänzlich neue Welt, die sich einem nach der Geburt eines Kindes auftut – und für die gibt es keine Filter, dafür aber Frauen, die „im selben Boot sitzen“. Würden wir Mamas von Anfang an ein bisschen etwas von der Romantik nehmen, könnten sich unsere „Nachfolgerinnen“ viel entspannter auf ein Abenteuer einlassen, das das Leben von Grund auf ordentlich durchrüttelt.
Ins Mamasein muss man reinwachsen
Ist ja irgendwie logisch: Der Bauch wächst und die Gefühle gleich mit, immerhin trägt man das Wertvollste der Welt unterm Herzen. Vielleicht hat man sich schon das ganze Leben lang vorgestellt, wie das Leben als Mama sein könnte. Und dann trifft es einen ganz schön hart, denn irgendwie ist alles anders und bricht so unerwartet über einen herein, als hätte man sich noch nie Gedanken gemacht. Wer ist das kleine Menschlein, das da neben einem liegt? Während die einen sofort diese allumfassende Liebe zum Baby empfinden, müssen andere erstmal mit dem krassen Gefühl klarkommen, jetzt irgendwie plötzlich Eltern geworden zu sein.
Eine Geburt ist in Worten kaum zu beschreiben und lässt für viele nicht einmal Zeit und Kraft für Freudentränen und Liebe auf den ersten Blick, wie uns Film und Fernsehen propagieren. Hat man die Liebe zu seinem Kind erst einmal entwickelt – und ja, die wird, wenn nicht gleich, dann später, kommen – geht das Reinwachsen weiter. Gefühlt jede Veränderung im Alltag mit Baby bedeutet eine Neuorientierung für uns Eltern, und Veränderungen gibt es mehr, als volle Windeln.
Mamasein ist richtig hart
Es gibt die Mamas, die drei Kids mit links wuppen, einen perfekten Haushalt haben, täglich frisch Gekochtes auftischen und nebenbei im Job glänzen – solltest du so jemand sein, dann Chapeau! Der absolute Großteil von uns befindet sich aber gerade im ersten Babyjahr irgendwo zwischen Wunder und Wahnsinn. Wenige Stunden Schlaf, einige Stunden Babygeschrei, viele Stunden stillen oder Flascherl geben, noch mehr Stunden spielen, schunkeln und schauen lassen – was für Außenstehende ziemlich gemütlich klingt, ist es auch.
Aber irgendwie auch nicht. Denn als frisch gebackene Mama existierst du gerade in den ersten Monaten kaum als eigenständiger Mensch. Mamasein ist ein Rund-um-die-Uhr-Job ohne Pause und Urlaub, bei dem die eigenen Bedürfnisse plötzlich unfassbar wenig wiegen. Habe ich bei vorigem Satz als Kinderlose innerlich die Augen verdreht, fühle ich ihn jetzt als Mama zu hundert Prozent. Es gibt die Tage, wo jede Entscheidung zur Fehlentscheidung wird, weil das Baby nicht mitmacht. An denen du dir die Menschheit mit all ihren krachmachenden Erfindungen schlichtweg in die Hölle wünschst, weil sie dein selig schlafendes Kind geweckt hat. An denen du dich von Butterbroten ernährst, weil du nicht einmal Zeit hast, den Lieferservice zu kontaktieren. Schlicht: Es gibt echte Kacktage. Und weil’s nach solchen immer bergauf geht, folgen dann die besten der Welt mit wunderbarsten Kind, das existiert!
Mamasein ist langweilig
Richtig gelesen. Oder doch nicht?! Irgendwie verschwimmen die Grenzen, wenn man 24 Stunden mit dem Baby zusammen- und aufeinanderhockt. 24 Stunden, die mit allen möglichen Betätigungen und Beschäftigungen gefüllt sind, mit Babypflege, Babyspiel, Baby, Baby, Baby in Dauerschleife. „Und täglich grüßt das Murmeltier“ ist nichts im Vergleich zu den Aufgaben als Eltern, die immer und immer wieder gleich ablaufen – Rituale sind das Stichwort jeder Babyratgeber-Bestseller-Autorin.
Und während es viele wunderschöne Momente gibt, sind andere nun einmal „normal“ bis hin zu wirklich langweilig. Wenn das Baby zum zwanzigsten Mal am Tag die Sockenlade vom Papa ausräumt, während Mama in ständiger Finger-Einzwick-Alarmbereitschaft ist. Oder wieder und wieder derselbe Turm aus Bauklötzen für die Minis gebaut werden muss, finde selbst ich nichts mehr pädagogisch Unterstützenswertes dabei, sondern langweile mich ganz einfach. Es ist oft ein schmaler Grat zwischen Über- und Unterforderung, auf dem man sich als Mama bewegt. Auch wenn man sich noch so bemüht, man kann den Alltag nicht immer und tagtäglich zum Abenteuer machen. Und das ist okay so.
Mamasein schmerzt
Die kleinen, wunderbaren Menschen sind natürlich das Wichtigste im Leben jeder Mama. Und doch holt einen die Vergangenheit ziemlich oft ein und riecht ganz gemein nach Freiheit, Unbeschwertheit, Leichtigkeit. Es sind oft banale Dinge, wie die Spotify-Mixtapes, die mir zeigen, dass ich ein anderer Mensch bin. (Oder der gleiche mit anderen Prioritäten?) Waren die Mixtapes früher eine bunte Mischung aus Trettmann, WizTheMc und Fil Bo Riva, durchbrechen jetzt Rolf Zuckowski, Simone Sommerland und Föhngeräusche den heiß geliebten Algorithmus. Trettmann, das war doch einmal ich tanzend und betrunken beim Konzert, Rolf Zuckowski, das bin heute ich singend und am Mama-Burnout vorbeischrammend am Spieleteppich im Wohnzimmer mit meiner Tochter. Viele kleine Verzichte summieren sich ganz schnell zu einer ordentlichen Dröhnung Melancholie. Ja, es tut manchmal richtig weh, dieses alte Leben aufgegeben zu haben. Auch, wenn man weiß, wofür.
Mamasein ist einsam
Sie schleicht sich in unser Leben und ist da, wenn wir am verwundbarsten sind: die Einsamkeit der Mütter. Während wir gerade noch dabei sind, uns in die größte Rolle unseres Lebens hineinzufinden, läuft für unser Umfeld das Leben in gewohnten Bahnen weiter. Party am Wochenende. Reisen. Ins Kino mit Freunden. Im Job gefordert werden. Einfach einmal am Abend auf die Couch setzen und einen Film schauen, ohne in ständiger Alarmbereitschaft zu sein, verdammt! Und weil die Bahnen oft so verschieden laufen, bedeutet Mama werden oft auch Abschied. Von dem früheren Ich, von Kontakten, von Freund*innen.
Beinahe jede Mama muss schmerzlich feststellen, dass es nicht nur die Freundschaften gibt, die ein Leben lang halten, sondern auch jene, die zu halten sich nicht lohnt. Weil die Leben zu unterschiedlich sind, die Zeit zu knapp und der gemeinsame Gesprächsstoff ausgeplaudert ist. Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf, heißt es in einem afrikanischen Sprichwort. Und das ganze Dorf hilft in vielen Teilen der Erde nach wie vor bei der Kindererziehung und -betreuung mit, während wir „westlichen“ Mamas alleine mit Baby klarkommen müssen. Kein Wunder, dass sich viele von uns einsam fühlen in dieser lauten, quietschbunten neuen Welt. Wenn du also das hier liest, während dein Baby schläft oder spielt, sei dir sicher: Du bist nicht alleine!
Mamawerden ist kein Kinderspiel
Es ist im Großen ein Tabuthema, immer noch. Obwohl mittlerweile im Kleinen so ausführlich und emotional gesprochen wird, wie über selten ein Thema: Fehlgeburten. Laut Statistik endet eine von fünf festgestellten Schwangerschaften mit einer Fehlgeburt, in machen Statistiken ist es sogar jede dritte Frau, die diese schmerzvolle Sache erlebt. Sein Baby zu „verlieren“, keinen Herzschlag (mehr) im Ultraschall zu sehen, all die schönen Zukunftspläne über Bord zu werfen, den kleinen Menschen sogar weit über die kritischen zwölf Wochen hinaus in einer stillen Geburt gehen lassen zu müssen … für den Verlust seines Kindes gibt es keine Worte. Und nicht nur als Frau mit Kinderwunsch ist eine Fehlgeburt Thema, sondern auch als Mama selbst. Immerhin ist es die beste Freundin, die eigene Schwester, die Nachbarin oder Kollegin, die ihr Baby nicht nach Monaten der Schwangerschaft im Arm halten darf. Da nehmen die eigenen Schuldgefühle doch manchmal überhand und im schlimmsten Fall zerbrechen Freundschaften in einer Zeit, in der beide Seiten sie so dringend bräuchten.
Mamasein ist unfassbar
Ich gebe es zu, auch ich war vor meiner eigenen Mutterrolle nicht gefeit vor dem Werten von Mamas. Hab mich gefragt, wie sie es nicht schaffen, duschen zu gehen oder den Haushalt ganz nebenbei zu stemmen. Shame on me. Ich wusste es einfach nicht besser. Bis jetzt, mit einem zehn Monate alten Wirbelwind, der meinen Kaffee kalt werden, mein Mittagessen aus schnell in mich gestopften Käsebroten bestehen und den Haushalt auf Sparflamme herunterfahren lässt.
Meine Güte, ich schaffe es an manchen Tagen nicht einmal, eine einzelne WhatsApp-Nachricht zu beantworten, oder brauche fürs Aufhängen einer Waschmaschinenladung ganze zwei Stunden! Damit bin ich die absolute „Durchschnittsmama“, wir mir viele Gespräche mit anderen Mamas gezeigt haben. Und nur eine von Tausenden, die ihr Leben mit Kind auf ihre ganz eigene Art und Weise schupft. Mal laut, mal leise, mal voller Energie, mal mit nie zuvor gekannter Müdigkeit, mal mit Lachen, mal mit Weinen, mal mit Leichtigkeit, mal mit Verzweiflung, mal kunterbunt, mal farbneutral, mal gesellig, mal einsam. Mamasein ist wirklich unfassbar … aufregend, anstrengend, allumfassend wunderbar!