Wie sich das Grüßen während der Corona-Krise verändert hat
Eine innige Umarmung, Bussi links, Bussi rechts, vielleicht noch mal Bussi links, wenn man aus Frankreich kommt oder besonders gerne busselt, oder auch nur ein seltsam lange dauernder Handschlag – all das sind Grußformeln, die wir bis auf Weiteres aufgrund der Covid-19-Maßnahmen bleiben lassen sollen. Aber wie begrüßt man sich denn nun mit eineinhalb Metern Abstand, ohne in schräge, Ausdruckstanz ähnliche Performances auszuarten?
Anerkennendes Nicken
„In der Stadt? Gar nicht!“, würden jetzt vielleicht manche Landkinder süffisant einwerfen. Dass man in der Großstadt die Fremden auf der Straße wohl eher nicht mit einem freundlichen „Hallo“ begrüßt oder dafür zumindest maximale Verwirrung ernten würde, stimmt schon – bis vor der Krise zumindest. Doch seit wir alle im selben Schlamassel stecken, ist eine spürbare Welle der Solidarität losgeschwappt. Das zeigt sich auch am Grüßen. Jedes Mal, wenn mir in Wien auf dem Weg zu meinem Supermarkt eine Person über den Weg läuft, die wie ich schon zu Hause ihren Nase-Mund-Schutz übergezogen hat, verspüre ich neuerdings den verstärkten Drang, ihr zuzunicken. Wir haben da beide etwas im Gesicht, und das fühlt sich wahrscheinlich für uns beide ebenbürtig seltsam an. Wir haben also etwas gemeinsam: „Schräg, oder?“, drückt dieses kleine Nackenzucken aus. Meistens begleitet von einem verschämten Lächeln.
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Zwinkern, oder doch lieber sprechen?
Doch das – und das ist schon die erste Grüß-Krux – sieht ja momentan keiner! Mein Move, mit dem ich auch früher schon straßentaugliche Höflichkeit vorgegaukelt habe, wenn ich jemanden entfernt erkannt habe, aber keine Lust darauf hatte, längeren unangenehmen Smalltalk hervorstammeln zu müssen, zieht nur halb: Lächeln, nicken und weitergehen. Jetzt, wo dank der Schutzmasken mehr als die Hälfte der Mimik wegfällt, kann ich nur hoffen, dass man mein impulsives Genicke nicht mit einer aggressiven Aufforderung zum Faustkampf verwechselt. Also konzentriere ich die noch übrige Gesichtsgestik verstärkt auf meine Augen, zwinkere vielleicht lässig – und breche damit eventuell unabsichtlich einen kleinen Alltagsflirt vom Zaun. Auch schön. Generell müssen wir also mit Masken vor dem Suppenschlitz bedenken, dass unseren Gesichtsausdruck keiner mitbekommt, weder unser Lächeln noch unser grantiges Schnoferl. Also sollten wir, um Missverständnissen vorzubeugen, in vielen Belangen wahrscheinlich doch auf verbale Alternativen umsteigen, die auch mit Sicherheitsabstand und Mundschutz nicht aus der Mode kommen: „Hallo“, „Guten Tag“, „Grüß Gott“, „Servas, oida“ – je nach sozialem Naheverhältnis.
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Mit Füßen grüßen
Und auch zum nonverbalen Händeschütteln gibt es mittlerweile die eine oder andere Corona-Variante. Allen voran: das Fuß-High-Five. Oder besser: der Low-Kick. Nein, dabei geht es nicht darum, eine Begegnung mit einem kräftigen Tritt gegen das Schienbein des Gegenübers zu verderben. Vielmehr ist es momentan gemeinhin Usus, dass man sich erst einmal peinlich berührt gegenübersteht, mit gebührendem Radius umeinander herum tänzelt und dann die neue Begrüßung mit einem halblustigen: „Wie machen wir das jetzt am gescheitesten?“, einleitet, gefolgt von ausgestreckten Füßen, die sich flüchtig berühren. Füße sind also während der Corona-Krise die neuen Hände. Man ist ja wandlungsfähig.
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Fragwürdige Ellenbogen
Eine weitere Variation des handlungsunfähigen Handkontakts haben wir bei einigen Politikern gesehen, finden wir allerdings ziemlich fragwürdig: der Ellenbogen-Check. Da stehen politische Würdenträger am internationalen Podium und stupsen sich gegenseitig mit den Ellenbögen an, als hätten sie sich gerade einen ziemlich tiefen Witz erzählt. Das Problem scheint das Ganze aber nicht unbedingt bei der Wurzel zu packen. Denn – so viel sollten auch honorige Schlipsträger bedenken – Oberarme sind kürzer als Gesamtarme. Das vermeiden des Hautkontakts geht also auf Kosten des gebotenen Sicherheitsabstands. Da wäre wahrscheinlich eine Ghetto-Fist noch angebrachter. Und besiegelt man im Anschluss dann den gemeinsamen Schildbürgerstreich erst recht mit einem innigen Händeschütteln, wie der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte bei einer Pressekonferenz über die „No Handshake Policy“, sollte man sich in Zukunft vielleicht generell lieber aufs Winken aus der Ferne verlegen. Das geht nämlich immer.
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Neben dem Gruß-Dilemma sind uns noch sechs weitere Dinge aufgefallen, die den Alltag nach dem Shutdown prägen. Unsere Redakteurin Viki hat sich vor dem Shutdown übrigens versuchsweise wieder mal ein Tamagochi zugelegt. Wie das Experiment gelaufen ist, lest ihr in ihrem Tamagochi-Tagebuch.
(c) Beitragsbild | Magdalena Mösenlechner | 1000things