11 Wiener Gerichte mit besonders skurrilem Namen
Warum hat die Beamtenforelle keine Flossen und die gebackene Fledermaus keine Flügel? Und welche Art von Mäusen werden für die gebackenen Mäuse eigentlich frittiert? Wir haben uns ein paar Wiener Gerichte und ihre skurrilen Namen genauer angesehen.
Bestellt man in Wien beim Würstelstand eine “Eitrige” mit “16er-Blech” und “Krokodil”, ist man entweder Tourist*in oder hatte im Club ein paar Fluchtachterln zu viel. Der gekünstelte Würstler-Jargon ist längst als eben genau das enttarnt: künstlich. Ein Touri-Gag, der die Schenkel mit dem Fleischhammer klopft. Aber nur weil die “Eitrige” längst allen Wurst ist, heißt das nicht, dass es in der Wiener Küche generell nichts mehr zu schmunzeln gäbe. Wir haben ein paar Wiener Gerichte mit wirklich skurrilen Namen für euch.
Burenheidl
Bitte was?! Burenheidl klingt fast schon ein wenig frivol oder wie die Pointe eines schlüpfrigen Schüttelreims. Anstößig ist aber nichts an einer guten, heißen Burenwurst, die man übrigens auch “Haaße” nennt. Wo das “Buren” herkommt, ist nicht eindeutig belegt. Es könnte sich auf die Buren beziehen, da die Wurst offenbar zur Zeit des Burenkrieges in Österreich beliebt wurde, oder es ist aus dem norddeutschen Dialekt abgeleitet und bedeutet so viel wie “Bauernwurst”. Vielleicht geht es aber auch auf die niederländische Boerewors zurück, wer weiß. Mit dem “Heidl” ist es nicht ganz so weit her, wenn man es etwas anders schreibt: “Häutl”. Also: Haut. Das Wurstbrät steckt in einer Wursthaut. Eh klar.
Beuschel
Innereien ziehen sich durch die traditionelle Altwiener Küche wie Fritatten durch die Rindssuppe. Ganz vorne dabei: das Beuschel. Das klingt zuerst mal fast schon niedlich, manch eine*r denkt vielleicht an “Büschel” oder “bauschig”. Ursprünglich bezeichnet das Beuschel in der österreichischen Waidmannssprache allerdings die tierischen Eingeweide, süß ist also anders. Sucht man im Duden nach “Beuschel”, wird man in Bezug auf die Begriffsgeschichte weitergeleitet auf den Eintrag über “Bausch”, das sich wiederum vom mittelhochdeutschen “būsch” für Wulst ableitet. In der Altwiener Küche ist das Beuschel meistens gleichbedeutend mit Lunge und geht wiederum auf die jüdische Kultur zurück. Es dominiert die traditionellen Speisekarten so weit, dass es sogar in die Alltagssprache eingezogen ist: Wenn es jemandem das Beuschel raushaut, dann hat er oder sie starken Husten. Lässt er*sie sich dann untersuchen, setzt der*die Arzt*Ärztin nicht das Stethoskop an, sondern das Beuscheltelefon. Und inhaliert der*die Patient*in danach wie zum Trotz eine besonders starke Zigarette, ist das der Beuschelreißer, der sich wahrscheinlich für die ursprünglich drohende Beuschel-Delogierung verantwortlich zeichnet.
Vanillerostbraten
Dass man zum Schnitzel Preiselbeermarmelade isst, ist keine Besonderheit. Und es soll ja auch Leute geben, die sich eine eingelegte Ananas auf den Schinken-Käse-Toast knallen und das Ganze Toast Hawaii schimpfen. Aber Vanille und Rostbraten – ist da nicht gewaltig etwas schief gegangen? “Vanillerostbraten” ist gleich in zweierlei Hinsicht ein skurriler Begriff für ein Wiener Gericht: Zum einen, weil die Mischung, die er vorgibt, gelinde gesagt grauslich wäre. Zum anderen, weil “Vanille” in diesem Fall nicht für Vanille steht, sondern für Knoblauch. Also geschmacklich betrachtet so etwas wie das Gegenteil von Vanille. Die Anti-Vanille. Vanille war früher ein teures Gut aufgrund des Imports von Amerika und den Adelshöfen vorbehalten. Knoblauch hingegen galt in Österreich damals als “Vanille des armen Mannes”. Und passt auch viel besser zu Rindfleisch und Bratkartoffeln.
Beamtenforelle
Auch diese Forelle ist nicht das, was sie zu sein vorgibt. Sie schwimmt nicht im Wasser, sie dient nur als Metapher. Auch hier dient wieder einmal ein Gericht in klassisch „gfeanzter“ wienerischer Manier der Sozialkritik: Die Beamtenforelle war ursprünglich ein Salzstangerl, der Begriff sollte offenbar auf das bescheidene Einkommen des Beamtenstandes verweisen. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt nicht mehr das Salzgebäck, sondern die Knackwurst als Beamtenforelle. Auch nicht besonders hydrophil, dafür aber ebenfalls deutlich preiswerter als die Namensspenderin.
Fledermaus
Dass Fleisch die Wiener Küche prägt, ist kein Geheimnis. Aber Fledermaus? Wir sparen uns jetzt mal alle flachen Witze über Corona und stellen lieber gleich klar, dass es sich bei der Wiener Fledermaus natürlich nicht um ein gekochtes oder paniertes Fledertier handelt, sondern um gekochtes Rind- oder paniertes Schweinefleisch. Das Fleisch stammt entweder vom Beckenknochen des Rinds oder von der Innenseite des Schweineschlögels. In beiden Fällen ähnelt es wohl nach der Verarbeitung irgendwie einer Fledermaus – mit viel Fantasie. Aber die kann ja beim Kochen ohnehin nicht schaden.
Katzengschroa
Fantasie reicht für die Erklärung dieses Gerichte-Namens leider nicht aus. Von den Speisekarten ist das Gericht inzwischen auch weitgehend verschwunden. Eine mögliche Erklärung für das bildhafte Katzengeschrei ist, dass die Zutaten, also Fleisch und Innereien, so ungleich sind wie die Töne, die schreiende Katzen ausspucken. Eine andere, eher kryptische, besagt, dass das Gericht meist unmittelbar nach den Hausschlachtungen frisch zubereitet wurde und die Weinbauern es anschließend in den Weinkeller mitgenommen haben, um es dort ungestört zu verputzen. Viele Weinkeller waren von einem Schimmelpilz überzogen, der sogenannten “Köllakotz”, also Kellerkatze. Warum die Katzen aber wirklich schreien, weiß wohl niemand mehr so genau.
Anmerkung der Redakteurin: Meine Wiener Großmutter hat gemischtes Faschiertes mit Zwiebeln abgebraten und als “Katzengschroa” serviert, vermutlich bezogen auf die Einfachheit und relativ spontane Umsetzbarkeit des Gerichtes.
Einbrennte Hund
Nicht nur die Katzen müssen in der Wiener Küche zittern, auch Hunden ist ein eigenes Gericht gewidmet. Und auch das hat, wenig überraschend, rein gar nichts mit Hundefleisch zu tun. Das Einbrennte, also Eingebrannte, ist die Mehlschwitze, die Hunde sind Erdäpfel. Also sind die einbrennten Hund sogar vegetarisch. Woher ihr schräger Name kommt, ist allerdings unklar.
Gebackene Mäuse
Generell hat es die Altwiener Küche wohl verstärkt auf Haustiere abgesehen. Auch vor Mäusen macht man kulinarisch nicht Halt, und auch hier natürlich nur dem Namen nach. Denn die gebackenen Mäuse sind nicht etwa kleine Nager, die unter Quietschen und Qualen in heißes Fett getunkt wurden, sondern in Fett herausgebackener Germteig, der in seiner brutzelnden Endform entfernt an Mäuse erinnert – mit viel Fantasie. Aber dass man für die Herleitung der skurrilen Namen der Wiener Gerichte einiges an Fantasie braucht, haben wir ja inzwischen etabliert.
Kanarienmilch
Zu gebackenen Mäusen ist man traditioneller Weise Vanillesauce, oder auch: Kanarienmilch. Wenn man schon die Mäuse vertilgt, bleiben auch die Stubenvögel nicht verschont. Auch hier eine wichtige Klarstellung: Keine Kanarienvögel sind bei diesem Gericht zu Schaden gekommen. Vielleicht rührt die Anlehnung an das Tierreich in diesem Fall von den gelben Eidottern her, die in der Sauce verwendet werden und farblich an das Federnkleid der Singvögel erinnern.
Grenadiermarsch
Der Grenadiermarsch ist längst Synonym geworden für Restlessen. Und genauso flexibel gestaltet er sich auch: Mit Teigwaren oder Erdäpfeln, Speck, Geselchtem oder Fleischresten schmeißt man in der Pfanne, was übrig geblieben ist. Der Name des Gerichts leitet sich angeblich aus der typischen Restlküche ab, die typisch war für das Militär der Kaiserzeit.
Patschenpicker
Und zum Abschluss noch ein Hinweis in eigener Sache: Seit ich denken kann, serviert meine Großmutter zum Tafelspitz “Patschenpicker” und meint damit den Semmelkren. Sie behauptet felsenfest, dass das ein typischer Altwiener Ausdruck ist und als waschechte Hütteldorferin hat sie bei uns in der Familie die absolute Deutungshoheit über das Wienerische. Allerdings hat sie mit meinem Großvater einen Ottenthaler geheiratet, dessen Herkunftsort eine sogenannte Sprachinsel ist und der so klingende Ausdrücke wie “eine Ratzen haben” (übersetzt: Essensreste um den Mund haben) in die Ehe mitbrachte.
Die beiden Dialekte haben sich also vermischt, und wie sich an manchen seltenen Ausdrücken wie “Patschenpicker” zeigt, ist nicht mehr eindeutig zu rekonstruieren, wie weit diese Vermischung reicht. In meiner Recherche habe ich nichts, aber auch rein gar nichts darüber gefunden, ob “Patschenpicker” tatsächlich die Altwiener Bezeichnung für Semmelkren ist. Semantisch würde es schon einleuchten, da die Semmelkren-Konsistenz sicher nicht gänzlich ungeeignet wäre zum Picken des einen oder anderen Patschens. Wenn es da draußen in der 1000things-Community also jemanden gibt, der*die ebenfalls schon mal “Patschenpicker” serviert bekommen und dabei nicht versehentlich Reifenkleber gegessen hat, bitte melde dich. Wir müssen reden.
Mit dem Laden des Inhaltes akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Giphy.
Mehr erfahren
Noch mehr linguistische Schmankerln gefällig? Wir haben uns auf die Suche nach dem Wiener Dialekt begeben und uns angesehen, warum das kleine Wörtchen „lecker“ die Gemüter in Österreich derartig erhitzt.