Wiener Macher – Insektenessen Gründer Christoph Thomann

Heute gibts Insekten zu Essen! Was in vielen Ländern weltweit bereits lange gang und gäbe ist, versucht Christoph Thomann nun auch in Wien einzubürgern, weswegen er Ende 2015 sein Start-up insektenessen.at gründete. Warum Insekten „das Lebensmittel der Zukunft sein können“, wie man sie zubereitet und was jemanden bewegt, ein Unternehmen für essbare Insekten zu gründen? Wir haben uns mit dem Gründer getroffen und liefern euch hier die Antworten auf diese und noch viele weitere Fragen.
Lisa Panzenböck Aktualisiert am 16.03.2017
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(c) insektenessen.at / Christoph Thomann

UPDATE: Juli 2019; Das Unternehmen heißt mittlerweile ZIRP-Insects und ist an den Mittersteig im 4. Bezirk umgezogen.

Im futurefoodstudio im 16. Bezirk befindet sich seit nun schon eineinhalb Jahren das zu Hause des Start-ups Insektenessen. Beim Betreten der Räumlichkeiten erwartet uns eine große, offene Küche in modernem Design. Alles sehr gewohnt – auf den ersten Blick. Sieht man jedoch genauer hin, so stechen einem plötzlich ein paar in weiße Papiertüten verpackte Mehlwürmer, oder in Eprouvetten gesteckte Salzheuschrecken ins Auge. Der 30-Jährige Unternehmer Christoph Thomann erzählt im Gespräch mit 1000things.at, warum solch ein Anblick in naher Zukunft bald keine verwunderten, oder gar angewiderten Blicke mehr hervorrufen könnte.

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Geschmorter Butternusskürbis in Mehlwurm-Panade (c) Christoph Thomann

1000things: Erzähl uns doch mal – was motiviert einen dazu, ein Start-up für Insektenessen zu gründen?

Christoph: Mich hat das Thema eigentlich vom ersten Moment an, in dem ich davon erfahren habe, interessiert – dies ganz besonders wegen der unglaublichen Vielfalt, die jenes mit sich bringt. Zu Beginn war bei mir natürlich auch eine gewisse Art von Ekel da, doch vielleicht war es genau dieser Ekel, der mich dazu angetrieben hat, jenen nicht nur bei mir, sondern auch in den Köpfen anderen Menschen zu beseitigen. Mit dieser grundlegenden Motivation ist in den letzten vier Jahren einiges entstanden und so eben auch am Ende des Tages – oder besser gesagt am Ende des Jahres 2015 – mein Start-up Insektenessen.

 Wer steckt denn neben dir als Gründer noch hinter dem Unternehmen?

Allen voran mein Freund und Kollege Stefan Trautsch (Anm. d. Red.: Stefan Trautsch ist mittlerweile nicht mehr im Team. Er wurde von Sebastian Müller abgelöst.), der Profikoch ist und mit dem ich bereits auf eine lange, intensive Zusammenarbeit zurückblicken kann. Er ist bei uns für die gesamte kulinarische Entwicklung, wie auch das Kreieren von Rezepten verantwortlich. Dann gibt es noch viele, viele andere, die uns unterstützen. So zum Beispiel unser Simon (Hagleitner, Anm.), der für sämtliche grafische Angelegenheiten mit Rat und Tat zur Seite steht. Wir wissen, dass gerade bei uns sehr viel Marketing, PR und Aufklärungsarbeit ganz allgemein nötig sein wird, um Menschen dazu zu bringen, dass sie den ersten Schritt des Kostens wagen. Mut erzeugen und Hürden überwinden – das haben wir uns vorgenommen.

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Stefan Trautsch beim Insektenkochkurs (c) Stefano Trabison

Was denkst du denn, welche Menschen am ehesten „mutig genug“ sind, um Insekten zu essen?

Ich sag es jetzt mal so, wie ich persönlich überzeugt bin, dass es die richtige Antwort ist – ganz banal auf das Wesentlichste heruntergebrochen:

„Insektenessen ist etwas für jeden, der dem Leben offen gegenübersteht, und Freude daran hat, neue Dinge auszuprobieren. Damit meine ich in erster Linie natürlich vor allem junge Leute, aber wir haben auch schon ganz viele ältere Menschen überzeugen können, unsere Insekten zu kosten.“

Wie kommt ihr denn eigentlich zu euren Insekten? Ich nehme einmal nicht an, dass sich jedes Insekt für den Verzehr eignet.

Genau, das tut es garantiert nicht, denn unsere Insekten haben kaum etwas mit den Wald- und Wieseninsekten gemein. Jene Insekten, die wir essen, mit denen wir kochen, die wir euch alle essen lassen möchten, werden speziell für den menschlichen Verzehr gezüchtet. Wir von Insektenessen haben unsere Lieferanten in ganz Europa, wobei sich die näheste Zuchtstätte in Dornbirn befindet. Ich selbst war erst vor ein paar Wochen in Vorarlberg, um mir mal wieder alles in Ruhe anzusehen und selbst auch ein bisschen mitzuhelfen.

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Kartoffelgröstl mit Zweifleckgrille (c) Lisa Panzenböck | 1000things.at

Also gibt es in ganz Österreich bloß eine einzige Zuchtstätte?

Es gibt sehr, sehr viele Zuchtbetriebe im ganzen Land, jedoch züchten diese großteils nur Insekten als Futtermittel. Das hat mit unseren Insekten wenig zu tun, denn hier gibt es ganz andere Gesetzesauflagen. Es melden sich immer wieder einige Züchter bei mir, die sich für das Thema interessieren und ich bin daher durchaus der Meinung, dass es auch in Zukunft stetig mehr geben wird, die sich auf den Verzehr für den Menschen spezialisieren möchten. Wichtig ist es, den Leuten klarzumachen, dass wir keine von uns selbst auf der Wiese gefangenen Insekten anbieten, sondern welche, die unter kontrollierten, hygienischen Bedingungen eigens gezüchtet werden.

Was können wir uns denn bei Insektenessen so alles vorstellen – was bietest du den Menschen alles mit deiner Marke?

Wir machen grundsätzlich das gesamte Spektrum – von Verkostungen in Schulen, Universitäten, Catering auf Firmenevents, sind auf Streetfoodmärkten vertreten, haben einen Webshop, in dem man Insekten online bestellen kann, machen eigene Kochkurse und beliefern auch die Gastronomie. Nachdem wir dieses Thema von Grund auf in der Gesellschaft etablieren wollen, bemühen wir uns auch verschiedene Zielgruppen damit zu erreichen.

Du hast gerade von Kochkursen gesprochen. Was wird da gekocht und wie kommt man zu diesen?

Anmelden kann man sich ganz einfach über die Website. Bei diesen Kursen geht es Stefan und mir in erster Linie darum den Menschen zu zeigen, dass man Insekten auch einfach als ganz normale Zutaten verwenden kann; dass sie teilweise sehr ähnlich schmecken, wie gewohnte Zutaten und im Endeffekt auch nicht grauslich sind, wenn man sie richtig zubereitet und weißt du was? Es schmeckt eigentlich jedem, der den Mut hat zu kosten und genau das ist das Credo, das wir nach außen tragen möchten.

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Insektenkochkurs (c) insektenessen.at

Ich würde gerne an der Stelle „es schmeckt eigentlich jedem“ einhaken: Was sind so die Reaktionen vor dem Kosten und was eben danach?

Wir haben natürlich bei dem Großteil der Menschen, die auf uns zukommen, immer diesen Ekel, diese Unsicherheit und ein gewisses Maß an Unbehagen kombiniert mit einigen Vorurteilen. Das kommt daher, dass wir es einfach nicht gewohnt sind und eine Vielzahl unserer „Koster“ jetzt durch uns zum ersten Mal mit dem Thema konfrontiert wird. Wenn wir es geschafft haben, Menschen zum Probieren zu animieren, lösen sich die Vorurteile meist gänzlich auf. Wir haben noch kein einziges Mal gesagt bekommen, dass es jemandem nicht schmeckt und genau das ist das Schöne daran. Ok, ein einziges Mal wollte jemand eine schwarze Grille nicht probieren, weil er dachte sie sei verbrannt – wir haben aber sofort aufgeklärt, dass diese Art von Grille einfach grundsätzlich ein schwarzes Insekt ist und dann war alles gut (lacht). Aber wie gesagt: Wenn man sich erst mal drüber traut und wirklich probiert, ist die Überraschung sehr groß und wir können die Leute dadurch leicht abholen.

Wie würdest du den Geschmack beschreiben?

Hm, also wir sagen oft, wenn wir gefragt werden, dass die Insekten wie Nüsse, oder wie knusprige Chips schmecken. Das erleichtert vielen Menschen den Zugang, weil sie sich darunter gleich viel mehr vorstellen können.

Sprich, ihr versucht einen Bezug zu etwas bereits Bekanntem zu schaffen um so die Ängste abzubauen, oder?

Genau, wir versuchen die Ängste zu nehmen, die Hemmschwelle ein bisschen geringer zu machen und eben Vorurteile abzubauen, indem wir das Thema ganz einfach erklären, sagen warum wir das machen und dadurch zum Kosten anregen. Denn man hat einfach, wie schon gesagt, so viele Vorurteile im Kopf – und das beziehe ich jetzt nicht bloß auf die Insekten – die dafür da sind, um sie abzubauen.

Da gebe ich dir Recht. Aber findest du, dass Vorurteile abbauen deine bisher größte Hürde war? Und wenn nicht, was stellte sonst das bislang schwierigste Hindernis für dich dar?

Eben weil wir hier von einem für uns Österreicher komplett neuen Thema im Bereich Ernährung sprechen, haben wir mit sehr vielen unterschiedlichen Dingen zu arbeiten – und auch zu kämpfen. Das ist auf der einen Seite die gesetzliche Situation, die in Europa noch unzufriedenstellend ist, denn wir wissen noch nicht ganz genau, inwiefern das europaweit ein Thema sein wird. In Österreich dürfen wir heute tun was wir tun, weil wir die Insekten aus sicheren, kontrollierten Quellen beziehen. Das ist mal das Eine. Andererseits ist der Preis für Insekten heutzutage noch sehr hoch, weil es noch wenig Angebot und auch wenig Nachfrage gibt.

Die größte Hürde allerdings, um auf deine Frage zurückzukommen, ist dass viele von uns noch keinen Bezug zu Insekten als Nahrungsmittel haben und den müssen wir heute herstellen – ich bin mir sicher, dass da noch einiges an Arbeit vor uns liegt.

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Schokokuchen mit Heimchen-Mehl (c) Lisa Panzenböck | 1000things.at

Das kann ich mir vorstellen. Was denkst du denn, warum wir in Österreich beziehungsweise in Europa solche Nachzügler sind, was das Insektenessen anbelangt?

Also es ist so, dass weltweit bereits zwei Milliarden Menschen Insekten essen und das eigentlich überall auf der Welt, außer im westlichen Teil. In Nordamerika und Europa fangen wir nun schön langsam an, uns mit dem Thema zu beschäftigen, aber in weiten Teilen der Erde – so zum Beispiel in Asien, Südamerika und Australien – werden Insekten seit jeher verspeist. Früher auch von uns hier in Europa, weil sie eigentlich mal ein Grundnahrungsmittel für den Urmenschen waren. Doch heutzutage haben wir durch Phänomene wie Globalisierung einfach so ein Überangebot an Möglichkeiten, was es schwierig macht, einen Platz für Insekten als Nahrungsmittel zu schaffen.

Warum befindest du es für nötig, Menschen von traditionellen Nahrungsmitteln wie Fleisch abzuholen und ihnen den Verzehr von Insekten nahezulegen? Worin liegen die Vorteile?

Ich glaube, da sprechen wir grundsätzlich von einem globalen Thema.

„Wir leben seit Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, über unsere Verhältnisse, bauen Ressourcen ab, die wir eigentlich gar nicht haben und müssen uns deshalb nach anderen, nicht endlichen Nahrungsmitteln umsehen.“

Wenn wir uns die Zahlen ansehen, so wird heutzutage sehr viel Fleisch in Europa gegessen und das vor allem im Vergleich zu anderen Ländern. Nun wollen Menschen aus anderen Ländern aber auch so leben wie wir hier in Europa und warum sollten sie dies nicht dürfen? Das Problem ist nur, dass wir diese Ressourcen schlichtweg nicht haben.

„Fleisch braucht nicht nur viel Fleisch, Wasser, Platz und Futtermittel um gezüchtet zu werden, sondern hat auch einen wesentlich geringeren Ertrag, als wenn wir dieselbe Menge Insekten herstellen würden.“

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Gründer Christoph Thomann beim Kochkurs (c) insektenessen.at

Diese sind sehr effiziente Tiere, da sie uns – genau so wie Fleisch – viele tierische Proteine liefern. Und genau hier gilt es anzusetzen: Neue Quellen, neue Lieferanten tierischer Proteine zu suchen, die uns ebenso mit dem nötigen Eiweiß versorgen, aber auf eine effizientere Art. Wir haben nun mal bloß diese eine Erde und uns sollte bewusst sein, dass nicht alles in unendlichem Ausmaß verfügbar ist. Natürlich wird das kein Umdenken von 0 auf 100 sein, sondern ein Prozess.

Wenn man, sagen wir mal, einmal die Woche statt Fleisch mit Insekten als Proteinlieferanten kocht – sei es nun eine Lasagne mit Mehlwürmern statt Rindfleisch, die wirklich fast ident schmeckt, oder ein mit zerstampften Mehlwürmern panierter Austernpilz, statt einem Schweinsschnitzel – kann dies bereits großes im Umdenken bewirken. Wir glauben jetzt nicht, dass Insekten Lebensmittel wie eben Fleisch komplett verdrängen werden, dennoch wollen wir sie als alternative Nahrungs- und Proteinquelle nach Europa bringen und den Menschen damit zeigen: Das hat Vorteile für dich und für den Planeten.

Wenn ich nun als Privatperson in deinem Onlineshop Insekten kaufe, was mache ich denn jetzt mit denen? Wie verarbeite ich sie am besten?

Wir schicken dir dann, sobald wir deine Bestellung erhalten haben, gleich zu deinen bestellten Insekten passende Rezepte zu. Außerdem kannst du uns jederzeit anrufen und nachfragen, wenn du ein paar Tipps oder Inspirationen brauchst. Zusätzlich gibt es auch Anleitungen auf der Website und wir werden uns zukünftig an die Entwicklung fix fertiger Produkte machen, wo man selbst gar nichts mehr machen muss. Also ein fertiger Snack, den man wie ein Packerl Chips auf der Couch abends mit einem guten Buch, oder besser mit einem Bier (lacht), genießen kann. Was jetzt bereits schon ohne großartige Zubereitung gegessen werden kann, ist unser Granola, dem man bloß noch nach Belieben Joghurt und Früchte beimischen muss. Auch kann man die Insekten einfach zermahlen und zum Beispiel für einen Kuchen, Palatschinken, oder Burgerlaibchen verwenden. Was ich damit sagen möchte ist: nicht zu viel nachdenken, einfach probieren!

Das klingt so, als wären der Kreativität beim Insektenessen und -kochen keine Grenzen gesetzt. Was ist denn dein persönliches Lieblingsgericht mit Insekten?

Puh, ich esse sie eigentlich am liebsten als Snack so zwischendurch und das schon so ziemlich jeden Tag, weil ich eben immer wieder viele Menschen probieren lasse und dann selbst auch ein bisschen mit nasche. Wobei ich auch ein großer Fan von unserem crunchigen Granola bin über meinem Müsli – das hat so einen nussigen Geschmack.

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Insektendinner (c) Stefano Trabison

Abschließend habe ich noch ein paar spezifische Wien-Fragen für dich. Bleiben wir gleich beim Essen: Wo gehst du persönlich gerne essen fernab der Insekten?

Hm, am liebsten eigentlich zu Japanern, oder Indern. Wobei ich in letzter Zeit auch sehr gerne traditionelle Hausmannskost in Wiener Gasthäusern esse.

Wenn du Wien mit drei Worten beschreiben müsstest, welche wären das?

Großstadtdschungel, chaotisch und doch sehr liebevoll, würde ich mal meinen.

Was gefällt dir am besten an unserer Hauptstadt?

Im Endeffekt die Ruhe in vielen Bezirken, die grünen Gegenden. Ich bin am liebsten an diesen Rückzugsorten fernab des ganzen Trubels.

Würstel oder Pizza?

Pizza.

Öffis oder Rad?

Rad.

Spritzwein oder Bier?

Bier.

Krapfenwaldbad oder Donau?

Donau.

Rapid oder Austria?

Rapid!!!

Meine letzten Worte sollen sein?

(Lacht) Schön wars!

Wenn ihr noch mehr über Wiener Macher lesen wollt, haben wir ein Interview mit dem Gründer der JuiceFactory für euch, wie auch eines mit einem der Kesselbrüder von Wien Gin.

Für noch mehr Tipps solltet ihr unseren WhatsApp-Service nützen.

(c) Beitragsbild | Jolien Hackett

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