„Lyrik ist eine Literaturpraline“: Cornelia Travnicek spricht mit uns über Poesie

Am 21. März hat die Lyrik ihren ganz persönlichen Feiertag. Und das ist gut so: Denn immerhin hat sie es als Genre nicht unbedingt immer leicht. Und mit ihr hat man es ja auch nicht immer leicht – zum Glück! Also legen wir die seichten 1000-Seiten-Schinken heute mal zur Seite und gedenken lieber der kunstvollen Kurzform. Wie zum Beispiel mit dem Gedicht "Bild einer Landschaft", mit dem die Schriftstellerin Cornelia Travnicek ein Österreich-Gemälde in alle Himmelsrichtungen malt. Wir haben mit ihr über ihren Zugang zur Poesie gesprochen.
Viktoria Klimpfinger Aktualisiert am 21.03.2018
Welttag der Poesie: 1000things.at

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War Lyrik für dich immer schon ein wichtiges Thema für dich und dein Schreiben?

Eigentlich habe ich sogar mit Lyrik begonnen. Bzw. mit Kürzesttexten. Mein erster Roman „Chucks“ (2012) besteht aus sehr vielen kurzen Szenen, die teilweise auch poetisch sind. Das war eine große Umstellung, etwas zu schreiben, das 200 Seiten lang zusammenhängt.

Was gefällt dir besonders an der Lyrik?

Besonders schön an Gedichten finde ich, dass man nicht immer gleich alles verstehen muss. Im Internet lesen wir oft Longreads oder Zeitungsartikel. Die dienen aber hauptsächlich dem Informationsgewinn. Dagegen ist die Lyrik für mich ein Genussmittel, eine Literaturpraline quasi. Pralinen haben ja auch oft im ersten Moment seltsame Füllungen, und erst durch die Komposition kommt der Genuss. In einem Gedicht kann es also auch einfach mal nur um Stimmungen, Eindrücke oder auch Ausdrücke gehen. Das ist eine ganz andere Art zu lesen.

Inwiefern liest man Gedichte anders als Romane?

Lyrik ist meistens eine Art Zufallsbekanntschaft. Man blättert durch und bleibt an einem Text hängen. Und wenn einem der Text gefällt, dann liest man ihn vielleicht sogar ein zweites, ein drittes Mal. Vielleicht war man eigentlich auf der Suche nach Zerstreuung, in Wahrheit ist es aber ein Moment der Konzentration. Das kann man gut mit der Meditation vergleichen, die sagt: Um zur Ruhe zu kommen, sollte man eigentlich versuchen, sich einen Moment lang zu konzentrieren und zu fokussieren. Aber eben nicht auf etwas Äußeres, sondern auf das Innere, auf sich selbst.

Cornelia Travnicek: 1000thingsCornelia Travnicek

Hat sich mit unserer Art, online zu lesen, auch die Lyrik selbst verändert?

Lyrik ist immer im Wandel. Wir sind ja schon weit weg vom Epos und auch vom Reimgedicht. Dafür gibt es neue Phänomene, die aus dem angloamerikanischen Raum zu uns gekommen sind, wie Poetry Slam zum Beispiel. Poetry Slammer versuchen, mit einer zeitlichen Begrenzung von fünf Minuten auf der Bühne einen poetischen Moment zu erzeugen. Über Fernsehshows und Ähnliches haben einige sogar den Eintritt in den Mainstream geschafft und sind der breiten deutschsprachigen Masse ein Begriff. Sie haben aber auch den Anspruch, diese Masse zu erreichen.

Widersetzt sich Lyrik nicht eigentlich dem Mainstream?

Es gibt Gedichte, die nicht den Anspruch haben, unbedingt auf den ersten Blick verständlich zu sein. Das muss man sich als Leserin oder Leser nicht nur zutrauen, sondern man muss auch bereit dafür sein, sich darauf einzulassen mit einer gewissen Unsicherheit. Auch ich verstehe nicht immer in jedem Gedicht alles, obwohl ich sehr viele Gedichte lese. Das stört mich aber in dem Moment gar nicht. Ich kann ja darüber nachdenken und meine eigenen Interpretationen zulassen. Vielleicht fällt mir an einem anderen Tag etwas ganz anderes auf.

Hörst du dir Gedichte auch gerne an?

Meine liebsten Lyrikveranstaltungen sind die mit Musik. Ich finde, das ergänzt sich gut. Man kann sich bei dem einen eine kurze Atempause vom anderen nehmen. Aber es gibt trotzdem ein großes Ganzes. Einen lyrischen Moment. Musik und Lyrik sind durchaus verwandt. Grundsätzlich hat Dichtung schon einen ganz eigenen Sprachfluss.

Gibt es ein Gedicht, das dich immer schon begleitet?

Bei mir sind es immer unterschiedliche Texte. Im Sinologie-Studium habe ich zum Beispiel auch Seminare zu chinesisch-sprachiger Lyrik belegt und da auch das eine oder andere Gedicht für mich entdeckt. Ganz stark begleitet hat mich Sylvia Plath, weil mein zweiter Lyrikband „Parablüh“ ein großes Plath-Projekt war. Diese Begleitphase dauert jetzt auch schon wieder einige Jahre an. Ich weiß noch nicht, wer oder was oder welche Texte mich in Zukunft begleiten werden. Bücher sind bei mir immer Lebensabschnittspartner, weil man sich mit der Zeit eben verändert. Nicht umsonst haben Texte einen weißen Platz zwischen den schwarzen Buchstaben: Da liest man ganz viel vom eigenen Leben und vom eigenen Selbst mit.

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