Wir haben die Rückblicke in den Instagram-Storys satt
Das neue Jahr ist bereits drei Tage alt, aber auf Instagram hat man das Gefühl, wir haben immer noch 2018: Nervige Jahresrückblicke pflastern die Story-Leiste.
Mal ehrlich: Was gibt es Entspannenderes als nach dem Aufwachen oder in den Öffis erst mal gemütlich ein paar Insta-Storys von Freunden, Bekannten oder Unbekannten zu checken? Click, click, click, und schon ist man halbwegs auf dem neuesten sozialen Stand. Die Jahresrückblicke von 2018 auf Instagram machen uns diese Art des gedanklichen Durchzugsmodus aber ungemein schwierig. Immerhin bestehen die Storys plötzlich nicht aus drei bescheidenen Teilen, sondern aus gefühlten 150. Und auf einmal stellen wir uns die Frage, die wir uns seltsamerweise bei normalen Insta-Storys nicht stellen: Warum sollte mich das interessieren?
Friede, Freude, veganer Eierkuchen
Vielleicht liegt es daran, dass es sich eben nicht um Aktuelles handelt wie die pornösen Partyfotos der letzten Nacht oder das gerade verspeiste Hipster-Frühstück in Bowl-Form, sondern eben um einen Rückblick. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass uns diese Rückblicke noch offensichtlich aufgesetzter und homogener die rundum heile Welt des Storytellers aufs Aug‘ drücken als sonst, während wir selbst im letzten Jahr immer wieder zwischen Himmel und Hölle hin und her gebaumelt sind. Und das ist gut so! Ein Jahr sollte Höhen und Tiefen haben und nicht ein einheitlich trendbewusster Brei mit Zahnpasta-Lächeln sein, den uns die Rückblicke verbissen vorgaukeln. Warum findet man in den Insta-Flashbacks eigentlich keine mentalen Break-Downs oder dramatischen Break-Ups? Doch andererseits: Wer hat davon schon Fotos?
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Aktuelle Story vs. privater Rückblick
Außerdem machen öffentliche Rückblicke eigentlich nur dann Sinn, wenn sie die Beteiligten auch betreffen. Dass Chantal dieses Jahr endlich beim Stabhochsprung ihrer Amateur-Stabhochsprung-Mannschaft einen Pokal holen konnte, tangiert uns als entfernte Insta-Freunde nicht mal peripher. Es ist das klassische „Das ist nur lustig, wenn man dabei war“-Dilemma, das uns ähnlich den Nacken verkrampft, wenn Freunde uns ihre unzähligen Urlaubsfotos zeigen: „Ah, schön!“ „Ja, auch sehr schön…“ „Wow, ziemlich… schön?!“ Jetzt reicht’s aber mal langsam!
Dass wir das bei normalen Instagram-Storys nicht empfinden, liegt vermutlich an besagter vorgegaukelter Aktualität und Echtzeit-Feeling. Denn als Chantal ihr Pokal-Foto an dem Tag gepostet hat, als sie ihr Stabhochsprung-Turnier rockte, hat uns das nicht so gestört. Im Gegenteil: Wir hatten Anteil an ihrem Stolz. Konnten den spontanen Impuls, diesen Glücksmoment mit der virtuellen Welt teilen zu wollen, verstehen. Postet sie dasselbe Foto aber ein halbes Jahr später, ist es bloß noch verblasste Angeberei: „Nur dass ihr’s wisst: Ich bin vor ein paar Monaten sehr hoch gehüpft.“ Gratuliere, Chantal. Ganz großes Kino.
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Never look back, Chantal
Sofort würden wir jede x-beliebige, superlangweilige und ewig dauernde Insta-Story gegen ein paar echte Bilanzen eintauschen. Denn wie 2018 so gelaufen ist, interessiert uns natürlich schon. Aber im Allgemeinen – nicht für jeden einzelnen. 2018 ist zum Beispiel mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das heißeste Jahr der heimischen Messgeschichte. Die Zahl der Toten durch Verkehrsunfälle in Österreich liegt mit 400 Personen 2018 auf einem Rekordtief. Leider liegt dafür die Zahl der bedrohten Tierarten im vergangenen Jahr laut Jahresbilanz des WWF auf einem „schrecklichen Rekordniveau“. Alles interessanter und vor allem wichtiger als das hundertste Spiegel-Selfie mit Herzerl-GIF. Oder Chantals Stabhochsprung-Pokal.
Natürlich kann man aktuelle politische Meldungen nicht mit privaten Instagram-Storys vergleichen oder gar in ihnen einfordern. Dazu sind sie ja auch nicht gedacht. Aber ab und zu ist es wichtig, das alles in die richtige Relation zu bringen. Denn immerhin steckt das neue Jahr noch in seinen Babyschuhen. Wir wollen es endlich gebührend begrüßen, anstatt immer noch dem alten, schon längst vergammelten Jahr via Instagram hinterherzuhängen. Nach vorne schauen heißt die Devise. Also lass endlich diese verdammten Rückblicke bleiben, Chantal.
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