Wir sollten doch alle FeministInnen sein! Oder?
Früher war der Begriff negativ konnotiert, heute ist Feminismus salonfähig. Feminismus ist Popkultur. Feminismus ist kommerziell. Doch sollte ein so wichtiges Thema den Mainstream-Hut aufgesetzt bekommen, auf die Gefahr hin, dass sich die Bewegung abnützt?
Feminismus als modisches Statement
#girlpower ist zum Lebensgefühl einer ganzen Generation geworden – unter diesem Hashtag findet man auf Instagram fast 5 Millionen Beiträge. Feminismus gibt es mittlerweile ganz frech und plakativ auf T-Shirts (We Should All Be Feminists), auf Geldbörsen (Fries Before Guys) oder auch auf Aufnähern (Support Your Local Girl Gang). Die Konsumindustrie gestaltet den Weg zum Schönwetter-Feminismus sehr einfach – egal wohin man schaut, man sieht Kleidung und Accessoires mit betont pro-feministischen Aufschriften. Die Aufmerksamkeit für Frauenrechte scheint auf oberflächlichem Weg in der breiten Masse angekommen zu sein – yay!? Der Hype ist real, es wirkt auf den ersten Blick so, als würde Emanzipation endlich umgesetzt werden. Wir leben in einem Zeitalter in dem Alicia Keys ein politisches Statement setzt, indem sie sich garnicht mehr schminkt. Doch denkt man den Schritt weiter, dann ist die Situation prekär. Nach dem Aufschwung der Trendwelle kommt immer der unweigerliche Abschwung und der tiefe Fall – ein Gegentrend bildet sich.
Gerade bei Feminismus, als fundamentale Bewegung der Frauenrechte, darf eine modische Abnützungserscheinung auf keinen Fall stattfinden. Ohne die großen Errungenschaften von mutigen und starken Persönlichkeiten wären Frauen noch immer nicht Wahlberechtigt, hätten keinen Anspruch auf Bildung oder die Macht über ihren eigenen Körper. Kurz: Das weibliche Geschlecht hätte nicht die freie Wahl. Frauen hätten keine Möglichkeit über ihr eigenes Leben zu bestimmen und sich eine unabhängige Existenz aufzubauen.
Weiblichkeit ungleich Feminismus?
Wie sehr das eigentliche Konzept von Feminismus noch immer von der Gesellschaft missverstanden wird, illustriert ein aktuelles Beispiel. Die Schauspielerin Emma Watson, eine bekennende Aktivistin für Frauenrechte, posierte unlängst halb nackt für das Cover eines bekannten Magazins. Darauf folgten ein exorbitanter Shit-Storm und eine öffentliche Diskussion darüber, ob eine Feministin sich überhaupt so freizügig zeigen dürfe. Sofort fiel das Schlagwort Heuchelei. Doch genau diese Dynamik beschreibt das eigentliche Problem: Eine Frau hat sich noch immer für ihre Ästhetik oder ihre Handlungen zu rechtfertigen, viel mehr als ein Mann dies jemals tun musste.
Das Binnen-I, der große Feind des Alltags
Feminismus findet seinen Weg nicht nur durch Mode in das Bewusstsein der Menschen. Viele mögen zum Beispiel das Gendern als leidiges Thema abtun, so spielt es aber grundsätzlich doch eine wichtige Rolle. Endlich finden auch die Frauen den Weg in die Sprache. Dies ist speziell wichtig, da so gesellschaftliche Dynamiken und die öffentliche Meinung definiert werden. Ob die Töchter ihren Platz in der Bundeshymne brauchen, bleibt wohl eine ewige Streitfrage. Ich persönlich verzichte gerne auf Dinge, die den Musikfluss stören und aber gleichzeitig sehr wenig an dem Status von Frauen in rechtlicher Hinsicht ändern. Wo fängt man an und wo hört man auf? Manch einer ist speziell bei wissenschaftlichem Arbeiten schon an geschlechterkonformer Sprache verzweifelt. Dass eine Diskussion über ein zusätzliches ‚i‘ von der Lösung wirklich tiefgreifender Probleme ablenkt, kann am Ende des Tages jedoch auch nicht das angestrebte Ziel einer Gesellschaft sein.
Girlboss!
Fakt ist, dass Gleichberechtigung in sehr vielen Bereichen noch immer ein Wunschdenken ist. Frauen in Führungspositionen sind nach wie vor rar, egal ob in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst. Laut dem Women In Work Report 2017, liegt der Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern in den OECD Ländern durchschnittlich noch immer bei 16%. Speziell Österreich hat hier keine Vorbildwirkung, rutschte es in den letzten 15 Jahren doch signifikant im internationalen Ranking und wird wohl erst in den nächsten 50 Jahren so etwas wie Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt erreichen. Aber wieso sieht das im Jahr 2017 noch immer so aus? Gründe dafür liegen wahrscheinlich am komplexen Zusammenspiel von fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten, unflexiblen Arbeitszeiten und veralteten Rollenbildern. Dass es so wenige Frauen in Führungspositionen gibt, könnte also auch an einer Einimpfung von ungesunden Denkmustern in der Kindheit geschuldet sein. Dies kann zu übermäßiger Selbstkritik führen und darunter leidet in Folge auch die Ambition im beruflichen Kontext. In meiner Kindheit am Land zum Beispiel war der Grundtenor der Umwelt weniger das weibliche Empowerment, sondern häufiger der Rat zur Akzeptanz des vordefinierten Geschlechterbildes. Ein Glücksfall war es da, in einer liberalen Familie aufzuwachsen, die Raum für Veränderung zuließ.
Boy Bashing als liebstes Hobby
Ob es also reicht, sich ein ‚We Should All Be Feminists T-Shirt‘ anzuziehen und sonst wenig an der eigenen Denke und den Handlungen zu ändern, bleibt fraglich. Was die Situation aber ganz sicher nicht verbessert, ist die Diskreditierung und Ausgrenzung von Männern. Dieser ambivalente Zugang, wird leider viel zu häufig praktiziert und funktioniert eigentlich nur für die Burschenschaft Hysteria – es sollte doch darum gehen, endlich ein harmonisches Miteinander der Geschlechter zu konstruieren. Dieselben Muster der Vergangenheit zu wiederholen und als Frau nun einfach lauter zu schreien, ergibt leider wenig Sinn. Genauso wenig heißt Feminismus, dass jegliche Aktivitäten, die als ‚typisch Hausfrau‘ gelten, pauschal abzulehnen sind. Männer und Frauen sind ganz sicher kein Stück weniger oder mehr emanzipiert, weil sie sich gerne der Hausarbeit widmen. Es sollte eine ausgewogene Aufteilung von Rechten und Pflichten angestrebt werden, die keine der Parteien diskriminiert.
Gemeinsam ist man stark
Im letzten Jahrhundert wurde schon sehr viel zum Thema der Frauenrechte erreicht. Was aber bleibt ist ein langer Weg, den man am besten gemeinsam beschreitet. Den Dialog im Freundeskreis zu suchen zum Beispiel, der Neidgesellschaft den Rücken zu kehren, sich weiterzubilden und für mehr Aufklärung zu sorgen sind erste Schritte, die jeder für sich selbst ganz leicht setzen kann. Ein süßes Girlpower T-Shirt schadet natürlich nie und kann vielleicht auch ein sanfter Einstieg in eine ernste Thematik sein. Vielleicht leben wir dann bald in einer Welt, die ganz ohne Frauenquoten und positiver Diskriminierung auskommt, einfach weil die Geschlechterfrage weniger gestellt wird und der Mensch einfach Mensch ist.
Wer nun Lust hat das Thema Feminismus mit seiner Girl Gang zu besprechen, der findet hier Inspiration für Mädchen-Dates.
(c) Beitragsbild | Brooke Lark | gemeinfrei | Unsplash