Zeitgenössischer Zirkus ohne Sexismus & Rassimus: Das ist Cie Kumquat
Was wäre, wenn Zirkus nicht bedeutet, dass exotische Tiere auf gequälte Art zur Schau gestellt werden? Dass die Menschen auf der Bühne nicht unter rassialisierten Bedingungen im Rampenlicht stehen? Cie Kumquat stehen für einen modernen Zirkus, der ohne problematische Klischees auskommt.
Wann habt ihr das letzte Mal einen Zirkus besucht? Bei den meisten ist das wahrscheinlich schon eine ganze Weile her. Bilder von Löwen auf Podesten und an Trapezen schwingenden Clowns breiten sich vor unserem inneren Auge aus, wenn uns das Wort „Zirkus“ aufschnappen.
Und damit wären wir auch schon bei all dem angekommen, was der zeitgenössische Zirkus von Cie Kumquat nicht ist. Nicht sein will. Wir haben Charlotte Le May und Verena Schneider vor der Premiere ihres ersten Stücks „alter“ zum Interview getroffen.
Eine Kompanie, eine Vision: intelligenter Zirkus
Die beiden haben ihre Kompanie 2020 gegründet und grenzen sich in ihrer Vision klar von veralteten Bildern der Kunstrichtung ab: „Traditioneller Zirkus ist rassistisch und voller Machos. Eine patriarchale Kunstform“, sagt Charlotte. Die Frage, was ihre Art des Zirkus definiert, ist im Gespräch ein wenig philosophisch geworden. Glücklicherweise gibt es viele diverse Richtungen des zeitgenössischen Zirkus.
Kurz zusammengefasst: Cie Kumquat will einen „intelligenten Zirkus“ schaffen, der das immense Potenzial von Körperarbeit und Sensibilität sichtbar macht. Dabei geht es vor allem darum, physisch an die eigenen Grenzen zu gehen, mit Balance und Spannungen zu arbeiten und Narrative zu schaffen, die nicht zwingend einen Anfang und ein Ende haben. Hier arbeiten Charlotte und Verena am liebsten mit anderen Frauen oder weiblich gelesenen Personen.
Wir spielen gerne mit Narrativen. Ich glaube nicht, dass wir wirklich daran interessiert sind, Geschichten zu erzählen, da die allgemeine Definition einer Geschichte normalerweise „Anfang, Mitte, Ende“ lautet.
Charlotte Le May
Persönliche Lebensphilosophien im Handstand
Gespräche mit Frauen* bilden übrigens die Grundlage für das Stück „alter“, die Charlotte und Verena zunächst transkribiert und dann in ihre „Körpersprache“ übersetzt haben. Dadurch ist eine authentische Textarbeit und Performance entstanden. Es geht um Freundschaft und Empathie, Leichtigkeit und Schwere, die Existenz und den Tod.
Wir wollen die Qualitäten unserer Kommunikation einbeziehen und mit Frauen arbeiten. Und hoffentlich hat das auch eine Bedeutung für andere.
Verena Schneider
Beim Kreieren ihres Programms gehen die Künstlerinnen ganz intuitiv vor und improvisieren erst einmal. Schritt für Schritt ergibt sich dann eine Symbiose aus Bewegungen, Wortfetzen und gemeinsamer Interaktion. Besonders für Verena, die selbst aus Tirol kommt, ist es wichtig, den zeitgenössischen Zirkus auch in Österreich mehr zu verbreiten. Kennengelernt haben sich Verena und Charlotte in einer Zirkusschule in Toulouse, wo diese spezielle Kunstgattung weitaus mehr Aufmerksamkeit bekommt.
Durch die Schaffung eines introspektiven, sensiblen und intelligenten Zirkus will Cie Kumquat also einen Beitrag zur Zirkuskunst leisten. Vom 3. bis 5. Mai 2024 könnt ihr das Ergebnis in den Soho Studios (Ottakring) sowie am 7. und 8. Mai 2024 im Theater Arche (Mariahilf) bestaunen und mitfühlen, mitschmunzeln und mitphilosophieren.
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