Zu Besuch beim Kapitän vom Techno Dampfer
Während im Sommer viele von uns auf Urlaub sind, in Strandbars kühle Cocktails schlürfen oder ausgiebig Party machen, arbeiten andere im Hintergrund, um uns einen schönen Sommer zu bereiten. Wie zum Beispiel Thomas Graner. Er ist Kapitän bei DDSG Blue Danube und steuert unter anderem den Techno Dampfer.
Vom Sonnendeck der MS Kaiserin Elisabeth dröhnt Technomusik. Das Schiff steht an einer Anlegestelle am Wiener Handelskai, normalerweise finden hier Heurigenfahrt mit Wienerliedern, der Griechische Abend oder Brunch am Schiff statt. Heute tanzen vor einem DJ-Pult am Deck über 100 Menschen in Glitzerkleidern, Leoparden-Hosen und Kapitänsmützen. Denn heute hat sich der Techno Dampfer auf der MS Kaiserin Elisabeth eingemietet.
Um Punkt 19 Uhr legt der Techno Dampfer ab und wird die nächsten vier Stunden die Donau zuerst stromauf- und dann stromabwärts fahren, während die Gäste Party machen. Die Bootspartys vom Techno Dampfer gibt es seit 2012 in Deutschland, mittlerweile gibt es zahlreiche Ableger, auch in Österreich und der Schweiz. Feiern auf Booten – das ist cool, “weil alle Bock drauf haben und keiner entkommen kann”, findet die 25-jährige Maike, die gerade zu Besuch in Wien ist und mitfährt.
Haben wirklich alle Bock drauf? In der Kommandobrücke, sozusagen dem Cockpit eines Schiffes, ist die Stimmung nicht ganz so aufgeheizt. “Naja, mir persönlich ist musikalisch schon das Rat Pack lieber”, sagt Thomas Graner. Das Rat Pack war eine Künstlergruppe um Frank Sinatra und Thomas Graner ist Kapitän am Techno Dampfer. “Ich verstehe aber, dass die jungen Leute feiern wollen”, fügt er hinzu. Auch wenn es den Kopfbedeckungen der Gäste zufolge viele “Captains” an Bord gibt, hat Graner heute das Sagen.
Vom Schiffsjungen zum Käpt’n
In der Kommandobrücke ist es dunkel, nur die bunten Lichter vom DJ-Pult blinken und tauchen Graners Gesicht in Pink- und Rottöne. Graner, graue Haare, Wiener Dialekt, steht entspannt hinter dem Steuermann und raucht eine Zigarette. Der Steuermann sitzt der in der Mitte des Raumes und wacht über Radar, Kontroll- und Warnleuchten, später wird Graner selbst hier sitzen. Der Kapitän kennt die Strecke in- und auswendig, er arbeitet seit 45 Jahren bei der DDSG. “Ich habe als Schiffsjunge angefangen und mich hochgearbeitet. Seit 1995 bin ich Kapitän.” Das Kapitänspatent zu machen sei nicht die Herausforderung, sondern auch bei schwierigen Bedingungen wie Nullsicht oder Nebel fahren zu können.
Mit den Bedingungen haben die Gäste am Techno Dampfer heute Glück: Das Wetter hält und die Kälte, die das Ende des Sommers einläutet, stört die tanzende Meute an Bord offensichtlich nicht. Auf einer Brücke steht ein Zuschauer und ravt mit, die Leute winken ihm zu und jubeln. Jedes Mal, wenn das Schiff unter einer Brücke durchfährt, raunt ein “Whoooooo!” durch die Menge. Am Bug sitzen Menschen in Liegestühlen und beobachten den Sonnenuntergang.
Endstation Korneuburg
Wer an der Reling steht, sieht, dass neben der MS Kaiserin Elisabeth ein kleines Boot mit vier Personen an Bord fährt: Die Wasserrettung ist ständiger Begleiter des Techno Dampfers, das kommt nicht von ungefähr. “Am meisten nervt mich, wenn Leute zu viel saufen”, sagt der Kapitän. Weil das auf Partys nun aber mal vorkommt, sind bei der Veranstaltung Wasserrettung und Securities immer dabei. Zweimal musste Graner bei Techno-Dampfer-Fahrten die Wasserrettung heranrufen, weil Gäste zu viel getrunken haben und der Kreislauf gestreikt hat. Mittlerweile gibt es im unteren Bereich des Schiffes auch eine “Ruhezone”, erklärt Graner, in der die Securities stark alkoholisierte Personen beobachten. Das sind die Nachteile daran, wenn Gäste die Party nicht verlassen können.
Sehr wohl müssen Gäste die Feier manchmal aber unfreiwillig verlassen: Nach etwa zweieinhalb Stunden Fahrt macht sich Spannung an Bord bemerkbar. Securities bringen eine Person vom Deck nach unten, die Crew bespricht sich über Funkgeräte. Das Schiff wird langsamer und legt in Korneuburg an. Drei junge Männer müssen runter vom Schiff, auch Diskussionen mit dem Personal helfen nicht. Die Securities bringen sie an Land, einer der Gäste zeigt zum Abschied den Mittelfinger. Um den Rückweg nach Wien müssen sie sich jetzt selbst kümmern. “Wenn Leute aggressiv werden oder andere belästigen, müssen sie das Boot verlassen. Als Kapitän muss man da auch einmal ein Machtwort sprechen. Die Verantwortung, wenn etwas passiert, liegt nämlich bei mir und nicht beim Veranstalter”.
Traumjob Kapitän
In der Kommandobrücke läutet ein Handy, als Klingelton hat Graner Mamma Mia von ABBA eingestellt. Er nimmt den Anruf an und erklärt den ungeplanten Zwischenstopp. Mittlerweile hat das Schiff gewendet und fährt wieder Richtung Wien. In der Kommandobrücke plaudert das Personal miteinander, die Kaffeemaschine am Tresen läuft, auf der Anrichte liegt ein angeschnittener Nussstrudel. Auch wenn es an Bord manchmal stressig wird, Graner hat seinen Traumjob gefunden: “Wenn ich ein nächstes Leben hab, will ich kein Künstler sein, kein Politiker – ich möchte wieder genau da sitzen”, sagt er, während er die MS Kaiserin Elisabeth steuert. Es gefällt ihm, dass er als Kapitän in Österreich zu einer Art Elite gehört – immerhin gibt es nur eine Handvoll von ihnen. Auch, dass kein Tag dem anderen gleicht, macht das Schiff für Graner zum besten Arbeitsplatz. “Man sieht immer andere Leute, andere Schiffe, andere Streckenteile.” Wenn Thomas Graner einmal frei hat, dann sitzt er gerne zwei, drei Stunden im Café de l’Europe am Stephansplatz zum Leuteschauen: “Da tun sich Welten auf”, sagt er.
Mit Leuten kann er gut, das merkt man, wenn Graner seine Geschichten erzählt. “Als Kapitän ist man immer auch Entertainer”, sagt er. Oft dreht er bei Themenfahrten seine Runden und plaudert mit den Gästen und macht ein paar Scherze, “dann läuft’s schon”. Auf die Tanzfläche wagt er sich heute aber nicht. “Ich bin nicht so der Tänzer. Ich hab mit meiner Gattin nie mehr gestritten als in der Tanzschule. Aber Walzer, Polka und Discofox würde ich schon noch hinbekommen.”
Afterhour mit Fäkalientank
Während in der Kommandobrücke die Gespräche gemütlich dahinplätschern, machen sich draußen einige Gäste schon auf den Weg über den klebrigen Boden in Richtung Ausgang. Nach vier Stunden Fahrt legt der Techno Dampfer wieder am Handelskai an. Die Crew hat allerdings noch nicht Feierabend. Die weniger schönen Seiten der Partynacht müssen noch erledigt werden, wie putzen und die Fäkalientanks ausleeren. “Das mach ich nicht mehr selbst in meinem Alter und meiner Position”, sagt Graner, aber auch er helfe nach den Veranstaltungen mit. Ein bis zwei Stunden brauche die Crew, bis auch sie schließlich Feierabend hat.
Wie sehen eigentlich die Sommertage einer Badefrau in Wien aus? Wir waren im Herderbad zu Besuch und haben nachgefragt. Alle unsere Reportagen findest du in der Liste dazu. Melde dich an und speichere die Liste, um keine Updates zu verpassen.